Kommentar Marokko: Wären wir nur Terroristen gewesen
Die Sahrauis leiden massiv unter der Besetzung ihrer Westsahara durch Marokko. Doch anders als Palästina ist die Westsahara nicht im Bewusstsein der Öffentlichkeit.
D er Konflikt um die von Marokko besetzte ehemalige spanische Kolonie dauert seit über 30 Jahren an. Es ist damit nach dem Konflikt um Palästina und Israel eine der ältesten Auseinandersetzungen um ein Territorium.
Reiner Wandler ist Spanien-Korrespondent der taz
Der nun von Human Rights Watch vorgelegte Bericht zieht eine eindeutige Bilanz: Die Sahrauis leiden nach wie vor massiv unter der Besetzung ihrer Westsahara durch Marokko. Repression und Apartheid gehören dann zum Alltag. Und wer geflohen ist, muss die harten Bedingungen des Exils in den Flüchtlingscamps in der südalgerischen Wüste erdulden. Rund 200.000 Flüchtlinge leben seit den 70er-Jahren in diesen Camps in einer unwirtlichen Landschaft.
Doch anders als Palästina ist die Westsahara nicht im Bewusstsein der internationalen Öffentlichkeit. Selbst die ehemalige spanische Kolonialmacht tut nichts, um den Konflikt zu lösen, den sie durch ihren Rückzug kurz vor dem Tod von Diktator Francisco Franco 1975 zuallererst verursacht hat. Seit die Befreiungsbewegung Polisario und Marokko 1991 einen Waffenstillstand geschlossen haben, überwacht die UNO einen Status quo, und der zementiert die aussichtslose Lage für die Sahrauis. Das damals beschlossene Referendum über die Zukunft des Landstrichs im Nordwesten Afrikas wurde bis heute von Marokko erfolgreich verschleppt. Frankreich und auch Spanien unterstützen das autoritäre Königreich. Schließlich ist es ein wichtiger Handelspartner, aber auch ein wichtiger Kollaborateur, wenn es um die Abwehr von Immigranten aus Afrika geht. Außerdem war Marokko von jeher ein strategischer Verbündeter für Europa und die Nato an der Einfahrt zum Mittelmeer.
Es sind schwerwiegende Interessen, denen das Schicksal von ein paar hunderttausend Sahrauis geopfert wird. "Hätten wir ähnlich wie die PLO internationale Anschläge verübt, säßen wir schon längst an den wichtigen Verhandlungstischen dieser Welt", erklärte gegenüber taz ein verzweifelter Polisario-Funktionär in den Camps in Tindouf. Die Realität gibt ihm leider Tag für Tag erneut recht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag