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Kommentar Lehrerstellen in BaWüSchwäbisches Lehrersterben

Bernd Kramer
Kommentar von Bernd Kramer

Gemeinschafts- und Ganztagsschulen sollen ausgebaut werden. In Baden-Württemberg soll das seltsamerweise mit 10.000 weniger Lehrern geleistet werden.

W as für ein Versprechen! Die Lehrer sollen bleiben, selbst wenn die Schüler in den nächsten Jahren weniger werden. Das Geld, dass durch den Geburtenrückgang frei wird, die so genannte demografische Rendite, soll dem Bildungssystem zugutekommen statt Haushaltslöcher zu stopfen.

So haben es die Bundeskanzlerin und die Ministerpräsidenten der Länder vor vier Jahren beim Dresdener Bildungsgipfel angekündigt. Und was tun sie heute? In Hessen fordert der Landesrechnungshof, an den Schulen zu sparen; in Bremen sollen längst eingeplante Lehrerstellen nun doch nicht kommen. Und ausgerechnet das grün-rote Baden-Württemberg toppt alle Schreckensmeldungen mit der Ankündigung, über 10.000 Lehrerstellen streichen zu wollen. In einem der reichsten Bundesländer wird die Schuldenbremse offenbar zur Bildungsbremse.

Da mag Bundesbildungsministerin Annette Schavan ihre Länderkollegen noch so beknien, ihre Versprechen doch bitte einzuhalten, ausrichten kann sie gegen das Streichen und Sparen leider überhaupt nichts. Das Kooperationsverbot, das ihr irrsinnigerweise untersagt, die Länder bei Bildung und Forschung zu unterstützen, soll zwar gelockert werden – nur eben nicht für den Schulbereich.

Der Autor

Bernd Kramer ist Bildungsredakteur der taz.

Das ist tragisch, schließlich sind die Herausforderungen riesig. In Baden-Württemberg starten nach den Sommerferien die ersten Gemeinschaftsschulen, in denen unterschiedlich begabte Kinder unter einem Dach lernen sollen. Damit auch jene Eltern Gefallen an dem Konzept finden, die ihren Nachwuchs bislang lieber aufs Gymnasium schicken, braucht es gute individuelle Förderung – und eben mehr Lehrer.

Deutschlandweit ist die Ganztagsschule längst nicht die Regel; im Südwesten bleibt gerade einmal ein Viertel der Schüler am Nachmittag in der Schule – um schwache Schüler dann gezielt zu fördern, müssen auch die Lehrer länger bleiben.

Und nicht zuletzt: Erst 30 Prozent aller Schülerinnen und Schüler mit Behinderung besucht bislang eine ganz normale Schule – auf Dauer verlangt die UN, dass deutschlandweit an die 90 Prozent der Förderschüler mit nichtbehinderten Kinder zusammen lernen. Wie all das zu machen sein soll, wenn tausende Lehrer fehlen, ist die große Frage.

Das heißt natürlich nicht, dass sich im Schulsystem nicht grundsätzlich sinnvoll sparen und umschichten ließe: Im EU-Vergleich liegen die Gehälter deutscher Lehrer im oberen Bereich. Gymnasiallehrer bekommen deutlich mehr als ihre Kolleginnen und Kollegen an den anderen Schulen, die die deutlich schwierigeren Klassen zu unterrichten haben. Dieses Geld ließe sich besser verwenden.

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Bernd Kramer
Inlandsredakteur
Jahrgang 1984, hat VWL, Politik und Soziologie studiert und die Kölner Journalistenschule besucht. Seit 2012 bei der taz im Inlandsressort und dort zuständig für Schul- und Hochschulthemen.
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9 Kommentare

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  • S
    Sandra

    Das größte Problem in den Schulen ist derzeit der Lehrermangel. Zu diesem Ergebnis kommt die Allensbach-Studie „Lehre/r in Zeiten der Bildungspanik“

    http://www.theeuropean.de/politikdialog/11793-lehre-r-in-zeiten-der-bildungspanik

  • GB
    G. Bley

    Anmerkungen dazu:

    --> Die Gymnasiallehrkräfte sind nur anders belastet, nicht weniger. Die Bildungsbürger/innen machen einen enormen Druck, dass ihre Kinder das G8 schaffen und deren Kinder sind als Kinder der Mediengesellschaft auch nicht mehr so pflegeleicht wie früher.

    --> Die Arbeitsbedingungen aller Lehrkräfte müssen verbessert werden. Sonst gibt es noch mehr Langzeiterkrankte und Ausfälle und der Nachwuchs wird sich das nicht antun.

    --> Länder, die Gehälter senken oder keine Verbeamtung anbieten, schießen sich bei der notwendigen Nachwuchswerbung selbst ins Bein - siehe Sachsen.

    --> Bei den MINT- und anderen Mangelfächern haben Sie keinen Raum, noch mehr Leute abzuschrecken mit Sparforderungen oder dem Ignorieren der beruflichen Belastung. Ebenso bei den beruflichen Fächern an den Berufskollegs. Sonst gibt es die bald nur noch an besser zahlenden Privatschulen. Auch die Lokführer haben es geschafft, dass man nun respektvoll mit ihnen verhandelt.

    --> Auch beim Einsacken der Demographiegewinne für die Haushaltslöcher werden Sie weiter einstellen müssen - der Nachwuchs geht noch schneller runter als die Schüler/innenzahlen.

    --> Schließlich - VOR der Schulzeit muss massiv investiert werden - sonst wird sich nicht viel verbessern lassen.

    --> Fazit: Auch Rot-Grün - wie ebenfalls in NRW - haben in der Praxis mit Bildung nichts am Hut. Erst Geschwafel von Bildung. Dann Kürzungen im Koalitionsvertrag. Schade. Ich weiss nicht, wann die mal aufwachen oder was man noch wählen sollte, um die Lage zu verbessern.

    PS Ich bin Berufsschullehrer und erlebe jeden Tag, dass wir kaum noch geegnete Leute finden, die bei uns unterrichten können und wollen.

  • F
    Friedrich

    Hm, also ich wusste schon vor der Wahl in BaWü, dass Linksgrüne verdammte Lügner sind, von daher sage ich den Bawüern. Geschicht euch recht. Wer wählt denn schon den rotzgrünen Dr*ck?

  • G
    Germanist

    "Das Geld, dass durch den Geburtenrückgang frei wird, [...] soll dem Bildungssystem zugutekommen [...]"

     

    'Das' und 'dass' zu verwechseln ist wohl nicht nur für einen Bildungsredakteur peinlich...

  • T
    Tom

    Na klar, die Lehrergehälter sind mal wieder zu hoch. Dass sie reell seit den 90ern um etwa 21% gesunken sind - geschenkt (http://bit.ly/PGYbn0). Es entspricht nicht mehr dem Zeitgeist, dass Leute für ihre Arbeit anständig bezahlt werden. Dass im Zeitraum der Reallohnsenkung das BIP kräftig gestiegen, damit die Lohnquote gesunken ist - auch egal. Zahlt die TAZ ihren Redakteuren wirklich so schlecht, dass sie schon neidisch auf Lehrergehälter schielen?

    Hat auch schonmal jemand daran gedacht, dass jeder der 11.600 Lehrer quasi ein Konjunkturpaket auf zwei Beinen ist, das sein Gehalt zum größten Teil direkt dem Wirtschaftskreislauf zufließen lässt und damit letztlich auch Arbeitsplätze sichert? Dies Ausgaben des Einen sind IMMER die Einnahmen des Anderen.

    Solange neoliberale Betonköpfe regieren und die Journaille ihnen applaudiert, werde Gymnasiallehrer in Zukunft dann sicher mit 1500€ Netto auskommen dürfen, nach zwei Staatsexamina, mit BAFöG-Schulden und am besten noch in einer Großstadt wie Hamburg wo man neuerdings günstig für 1200€ kalt auf dem Kiez wohnen kann... Aber was soll's — beim Lehrerstellen Streichkonzert erledigt sich der Lehrermangel ja von selbst. Die Ausgebildeten Lehrer können dann ja alle bei der TAZ als Volontäre unterkommen. Da verdienen sie dann endlich so wenig, wie es dem Autor genehm ist.

  • ON
    O. Neitzel

    Umschichten? Wie darf ich den Autor verstehen. Die Sekundarstufen II Lehrer haben nicht so schwierige Klassen zu unterrichten und daher sollen sie weniger verdienen?

    Zumindest ein zweischneidiges Argument. Intendiert hier der Autor nicht, dass die Arbeit nur aus dem Unterrichten besteht? Was ist mit den zeitaufwendigen Nachbereitungen und Vorbereitungen und Klausurkorrekturen? Sollte der Autor, trotz guter Absichten, der Meinung sein: Lehrer hätten nach dem Unterricht frei?

  • PG
    Peter Grün

    Gerade habe ich unserer Abizeitung entnommen, dass 6 Schülerinnen Lehrerin in BW werden wollen. Was soll ich ihnen raten? Toll, macht das! Oder: Mein Gott! Lasst das bloß sein!

     

    Zum einen gehen Tausende meiner KollegInnen - auch ich - in den nächsten Jahren in den Ruhestand und die Einstellungsperspektiven wären eigentlich blendend, aber andererseits wird die Einhaltung der Schuldenbremse tausende Lehrerstellen vernichten. Das Geld sollte an anderer Stelle eingespart werden, aber nicht im Bereich Bildung. Verschwendung gibt's überall, natürlich auch an den Schulen. Die ganzen Fremdevaluationen der Schulen etwa kosten ein Heidengeld und bringen nichts für einen besseren Unterricht.

     

    Kretschmann ist nicht zu beneiden, denn die Eltern werden auf die Barrikaden gehen. 2016 wird er mit Sicherheit vom Wähler aufs Altenteil geschickt ... nur - die Schwarzen werden es nicht besser machen!

  • U
    ulschmitz

    Wieder darf man am Ende des ja ansonsten nicht ungeraden Kommentars jene Unsäglichkeit lesen, wonach GymnasiallehrerInnen zu viel Geld verdienen. Umgekehrt ist's: EU-weit verdienen die anderen LehrerInnen zu wenig - aber in Frankreich z.B. haben die beamteten / fest angestellten Lehrkräfte genau EIN Fach (ich z.B. habe drei Korrekturfächer) und werden von Paris zentral mit Kopervorlagen, Korrekturvorgaben usw. bestens bedient - DAS hätte ich auch gerne -, während die Sozialarbeit z.B. an einem Collège oder Lycée durch unabhängige StudentInnen usw. geleistet wird, denen noch nicht einmal die Schulleitung hineinredet, wenn sie klug ist - die aber gleichwohl bei vielen SchülerInnen gefürcheter sind als die Lehrkräfte.

     

    Was, bitte, soll am GYM-LehrerInnen - Job so leicht sein? Es stünde der TAZ gut an, endlich mit diesen Mythen aufzuräumen. 800 PubertandInnen sind locker zu haben? Die haben ja auch alle keine Problem mit sich, den Eltern, den Freunden, den Drogen, dem Internet usw. usw. Fragt mal z.B. Realschullehrkräfte, die zum GYM gewechselt sind, was sie erwartet und was sie dann bekommen haben. Wer GYM-Knete will, muss dann eben auch GYM-Ausbildung haben.

     

    Sollten sich diese absurden Vorstellungen von Gehaltskürzungen durchsetzen, isses natürlich Essig mit dem möglichen TAZ-Abo - und dann ist Schluss mit E-Mail-Coaching, Abiturarbeitsgruppen außerhalb des Unterrichts, Schluss mit Beratungssonderschichten usw. usw.

     

    Umgekehrt müsste die Forderung lauten: Aufstockung der Gehälter der GS-, HS-, RS-, Gesamtschullehrkräfte, darüber ließe sich ja reden. Aber schon der Versuch, Grundschul- und GYM-Lehrkräfte zu vergleichen ist ein finsterer Witz - ich verweise z.B. nur auf die am GYM zu erbringenden Korrekturleistungen.

  • BB
    Bernhard Brugger

    Danke für Ihren Kommentar. Das Signal, das Grün-Rot mit der angekündigten Streichung von 11.600 Lehrerstellen setzt, ist verheerend. Nicht zuletzt für alle, die sich mit dem Gedanken tragen in den nächsten Jahren in den Schuldienst zu wollen.

    Bei der ganzen Debatte werden leider von Grün-Rot die derzeitigen zahlreichen Unterrichtsausfälle noch nicht einmal erwähnt. Eine positive Bildungspolitik müsste als erstes hier ansetzen und diese Ausfälle beseitigen.