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Kommentar Lehrer und ihr BerufsverständnisJa, auch am Nachmittag

Anna Lehmann
Kommentar von Anna Lehmann

Wer glaubt, es sei in erster Linie den Eltern zuzuschreiben, wenn Schüler „faul“ und „aufsässig“ sind, hat den Beruf verfehlt. Zweifel kommen Lehrern noch zu selten.

E ltern von schulpflichtigen Kindern kennen das Gefühl: auf dem Elternabend referiert die Lehrerin über Defizite der Klasse bei der Multiplikation. Sie schaut scharf die Mamas und Papas an, die sich alle angesprochen fühlen. Für den Schulerfolg ihrer Kinder sind die Eltern mindestens im gleichen Maße verantwortlich wie die Schule, so ein weitverbreitetes Missverständnis im deutschen Schulsystem. Die aktuelle Allensbach-Umfrage bestätigt diese Fehlinterpretation.

Denn wie sonst ist es zu erklären, dass viele Lehrer zwar feststellen, dass die Herkunft der Schüler einen großen Einfluss auf deren Leistungen hat, ihre eigene Benotungspraxis aber als objektiv einschätzen. Oder dass sie ihren Beruf mehrheitlich attraktiv finden – bis auf die Kleinigkeit, dass die Schüler demotiviert und disziplinlos sind.

Zweifel an der Art ihres Unterrichts und ihrem Umgang mit Schülern kommen Lehrern noch zu selten. Dabei ist es in den Schulgesetzen von Baden-Württemberg bis Berlin ganz klar geregelt: die pädagogische Verantwortung für die Bildung und Erziehung der Schüler tragen die Lehrkräfte. Wer also glaubt, es sei in erster Linie den Eltern zuzuschreiben, wenn Schüler „faul“ und „aufsässig“ sind, hat den Beruf verfehlt.

Bild: taz
ANNA LEHMANN

ist Redakteurin für Bildung im Inlandsressort der taz.

Klar müssen auch die Rahmenbedingungen stimmen. Um gerade die Kinder aus weniger bildungsaffinen Elternhäusern zu erreichen, ist es dringend notwendig, das Lernen – und die Anwesenheitspflicht der Lehrenden – in den Nachmittag zu verlängern.

Doch obwohl sich mittlerweile jede zweite Schule Ganztagsschule nennt, nimmt nicht einmal jeder siebte Schüler am gebundenen, also verpflichtenden Ganztagsangebot teil. Mit den 1,2 Milliarden Euro, die das Betreuungsgeld jährlich verschlingen soll, ließe sich locker eine zweite pädagogische Stufe des ausgelaufenen Ganztagsschulprogramms zünden. Ein deutliches Signal der Lehrerverbände und der Bundesbildungsministerin vermisst man da sehr.

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Anna Lehmann
Leiterin Parlamentsbüro
Schwerpunkte SPD und Kanzleramt sowie Innenpolitik und Bildung. Leitete bis Februar 2022 gemeinschaftlich das Inlandsressort der taz und kümmerte sich um die Linkspartei. "Zur Elite bitte hier entlang: Kaderschmieden und Eliteschulen von heute" erschien 2016.
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22 Kommentare

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  • G
    GS-Lehrer

    Liebe Frau Lehmann,

    es wurde schon viel über Ihren Kommentar geschrieben, deshalb möchte ich mich in erster Linie bei Ihnen dafür bedanken, dass Sie weiterhin solch sinnfreie Sprüche wie "Der Lehrer (oder auch die Lehrerin) hat vormittags Recht und nachtmittags frei", "Lehrer arbeiten doch sowieso nur bis zum Mittag." oder auch, in Bezug auf meine Zielgruppe, "Der bespaßt doch nur bißchen die Kleinen und macht sich dann einen schönen Nachmittag" unterstützen (siehe Swanni).

     

    Ich habe mich aufgeregt, mich geärgert, war enttäuscht und fühlte mich provoziert. Da ich nicht das wiederholen möchte, was schon geschrieben wurde, schließe ich mich gern den Meinungen von Vater/Lehrer und Kein_Lehrer an, die das Dilemma sehr schön dargelegt haben.

    Ihnen möchte ich nur Art.6 II Satz 1 GG mit auf den Weg geben:

    "Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht."

     

    Beste Grüße nach Berlin!

    Stefan

     

    P.S.: Ist es wirklich im Interesse des Kindes, den lieben, langen Tag in der Schule zu verbringen? Immer unter Aufsicht und Kontrolle?

  • K
    kurt

    Eigentlich ist ja schon alles gesagt, was man über diesen inkompetenten, uninformierten und auf Fritz-und-Lieschen-Müller-Vorurteilen und -"Erfahrungen" beruhenden Kommentar kritisch anmerken kann. Die taz hat doch Bildungsexperten, deren Meinungen ich zwar auch nicht immer teilen kann, die aber immerhin wissen, wovon sie schreiben.

  • L
    Lehrer

    Lehrer sollten besseren Unterricht machen. Das ist natürlich richtig.

    Realität ist aber, dass es sich für Lehrer nicht lohnt, besonders guten Unterricht zu machen.

    Er kostet nicht nur mehr Zeit und bringt auch keinen Cent mehr. Nein, dass ist nicht das Hauptproblem.

     

    Für mich liegt das Hauptproblem darin, dass die Lehrer von ihren Schulleitungen und Behörden unter massiven Druck gesetzt werden, diverse andere Tätigkeiten zu machen, für die alleine man einen Verwaltungsfachsngestellten einstellte könnte. Und nur diese Tätigkeiten finden Beachtung!

    Und wehe, wenn diese nicht zu 100% erledigt sind! Da folgt das Dienstgespräch. Und wer will das schon? Oft folgen dann Hospitationen, aber um den Unterricht geht es trotzdem nicht.

     

    Ich glaube, es ist nicht-Lehrern einfach nicht klar, welche Schwerpunkte ein Lehrer setzen muss, will er sich nicht ständig dem Gepöbel im Schulleiterin-Zimmer aussetzen.

    Und ja, auch Schulleiterinnen können üble Chefs sein.

    Oder im Beamtendeutsch: Dienstherrn.

  • M
    Michael

    Ich verstehe nicht ganz, wie die Kommentatorin den Schluss "Lehrer haben falsche Vorstellungen" -> "Wir brauchen Nachmittagsunterricht" zieht.

     

    Ganz persönlich muss ich rückblickend sagen: Ich hatte mit der Schule (nicht inhaltlich, sondern sozial - Stichwort "Mobbing") genug Probleme. Eine Ganztagsschule wäre für mich der pure Horror gewesen. Ich finde es immer reichlich befremdlich, dass es scheinbar common sense zu sein scheint, Ganztagsschulen als etwas besonders fortschrittliches zu betrachten.

     

    Fragt mal nicht nur die Eltern, sondern die Schüler selbst, was sie davon halten würden.

  • SB
    Simon Brücken

    Hä? Nein, Phantasielosigkeit sollte nicht auch noch nachmittags fortgeführt werden.

    Der Bildungsbegriff beschränkt sich immer nur auf die Schule, dabei bieten das freiwillige Lernen, das freie Spiel, der Aufenthalt draußen und Erlebnisse mit allen Sinnen die nachhaltigsten und besten Lernerfahrungen. Leider können die wenigsten Schulen das anbieten, sondern stehen als betonierte Frontalbildungsanstalten im Land. Aus der Angst, Kinder könnten sich irgendwie verletzen (= mit Gefahren umgehen lernen) sind Schulhöfe eintönige Öden und Kinder werden zunehmend verwahrt, ob in Ganztagsschulen oder sonstwo. Stets unter Aufsicht zwischen TÜV-geprüften Spielgeräten.

    (2. Versuch)

    Um Kinder aus allen gesellschaftlichen Schichten und mit allen kulturellen Hintergründen zu bilden brauchen wir zu allererst flächendeckend ein durchlässiges Schulsystem, sprich: Gesamtschulen sowie kleinere Klassen. Außerdem brauchen wir freie Erfahrungs- und Entfaltungsräume für Kinder. Dafür ist mehr Phantasie in Schulen gefragt, aber auch mehr Phantasie in den Nachmittagsangeboten für Kinder. Dazu gehören die, leider nur in bedrohten Nischen existierenden, Abenteuerspielplätze, Kinderbauernhöfe und Jugendfarmen, aber auch Waldkindergärten u.ä. Bildung passiert draußen, und nicht als Simulation des Lebens drinnen! Wer Beruf, Familie und Bildung vereinbaren will, sollte nicht nur dafür sorgen, dass Kinder irgendwo aufbewahrt werden (und belehrt werden), sondern attraktive Angebote für Kinder schaffen (und zwar alle zusammen, und nicht gegeneinander).

  • A
    AlteLeserin

    "Für den Schulerfolg ihrer Kinder sind die Eltern mindestens im gleichen Maße verantwortlich wie die Schule, so ein weitverbreitetes Missverständnis im deutschen Schulsystem."

     

    "Wer also glaubt, es sei in erster Linie den Eltern zuzuschreiben, wenn Schüler „faul“ und „aufsässig“ sind, hat den Beruf verfehlt."

     

    Hmm, liebe Textschreiberin, was sagt uns das über sie bzw. ihre Lehrer?? Wer ist denn jetzt eigentlich verantwortlich für dieses Werk, diesen Kommentar? Ihr Lehrer, ihr Lebenspartner? Ihre Chefin? Ihre Genossen?? Oder ihre schlechten Professoren, falls eine Uni besucht wurde?

     

    Das hilflose, ungebildete Geschöpf auf dem stürmischen Meer des Lebens, immer nur getrieben, niemals mit eigenem Antrieb - so denkt sich die Textproduzentin ihre "Bildungswelt" und würzt sie mit ein paar ollen Phrasen aus der linken Forderungsmottenkiste. Gähn. Ideenlos. Schlimm, dass die Frau es wohl tatsächlich ernst meint - normalerweise landet so ein billiger Trollversuch ja im Spam-Filter

  • A
    Achherrje

    @Klaus und auch Bärbel: dieses affige "_" überall einzufügen, schadet dem Lesefluss und damit der Aufmerksamkeit die man Ihrem Beitrag zollen sollte.

     

    Das die Erziehung und Begleitumstände in den Familien sich in den letzten Jahrzehnten extrem geändert haben, dürfte jedem klar werden, der sich damit beschäftigt (Patchworkfamilien, Alleinerziehende, Grosseltern nicht in der Nähe etc.). Dass dies Einfluss auf das Verhalten von Kindern hat, steht auch nicht in Frage.

    Das die Ansprüche der Eltern, sowie der notwendige Respekt, oftmals der Lehrkraft ihren Job erschweren, ist auch kein Geheimnis.

    Das die Lehrkräfte kaum ordentliche Maßnahmen einführen können ohne einen Wust an Verwaltungsarbeit und eine Menge Streitpotential loszutreten (Meldung ans Jugendamt zB) sollte man nicht unterschätzen. Und das engagierte Lehrer keine halbtagsjobs machen, sondern abends und am Wochenende für ihren Beruf arbeiten, darf nicht unbetrachtet bleiben.

    Das dafür oft die Klassen zu gross sind, die Lehrkräfte zu wenige (von den ZEitarbeitskräften in diesem Bereich gar nicht zu reden), die Budget zu niedrig ist noch ein Punkt.

    Fehlende Schulleitungen (lieber mal kommisarisch das jemanden 5 Jahre machen lasen, ist ja billiger) ein weiter.

     

    Insgesamt sind die Umstände so, das ich den Job nicht machen möchte, es sei denn an einer Privatschule. Das ist schade und jeder engagierte Lehrer hat meinen vollen Respekt.

     

    Irgendwas ominöses verlangen (die Lehrkräfte sollen auch mittags da sein, wo kommt die Zeit her oder das geld für mehr Lehrkräfte oder die Lehrkräfte selbst?) ohne zu differenzieren ist einfach.

     

    Andererseits muss man als redakteurin ja auch eine bestimmte Menge Wörter in einem bestimmten Zeitrahmen liefern und da ist so ein Artikel schnell mal runtergerotzt.

     

    Andere Artikel von Fr. Lehmann zeigen das es auch anders geht.

  • JA
    Jakob Abs

    Lustigerweise wäre ich sofort bereit nachmittags in der Schule zu sein. Ich hätte es tatsächlich leichter mit den Schülern zu arbeiten und könnte mir ein aufwändiges Arbeitszimmermateriallager zu Hause sparen. Nur bräuchte ich dann natürlich in der Schule einen halbwegs normalen Arbeitsplatz, denn der genialisch differenzierte, spannende, motivierende, gerechte, kompetenzorientierte, methodisch trickreiche, soziale Nachteile ausgleichende und allen sonstigen Anforderungen der Gesellschaft auch nur halbwegs genügende Unterricht muss ja auch irgendwo (und v.a. irgendwann) vor- und nachbereitet werden. Hierfür geht in der Regel mindestens genauso viel Arbeitszeit drauf wie für den reinen Unterricht (auch wenn es die laienhaften "Bildungsexperten" von außen natürlich nicht glauben werden). Erstaunlicherweise kostete das natürlich Geld - viel Geld! Interessanterweise hat die damalige Bundesregierung vor einigen Jahren ja Geld für ein Ganztagesschulprogramm in die Hand genommen, damit Schüler sich ganztägig in der Schule aufhalten können. Für das Geld durften aber auf gar keinen Fall Arbeitsplätze für Lehrer eingerichtet werden! Was also soll ich den ganzen Nachmittag in der Schule, wenn sich zu Hause meine Arbeit stapelt? Wieviel ist Anna Lehmann denn persönlich bereit dafür zu bezahlen? Klare Vorschläge der Autorin, die über lapidare Halbsätze über verlängerte Anwesenheitspflicht für Lehrer hinausgehen, vermisse ich da sehr.

  • P
    Paint.Black

    @Klaus-Bärbel

    Dazu gibt es diverse wissenschaftliche Untersuchungen und Konzepte.

    Einerseits gilt es bei der Beurteilung (die by the way gefühlt "objektiv" bei dem jeweiligen Lehrer sein mag - indes nicht mit der Beurteilung bei einem anderen Lehrer - einer anderen Schule - eines anderen Bundeslands vergleichbar ist - und damit nicht "objektiv" zu nennen ist.)

    die Überlegungen zur "Bezugsnorm" von Beurteilungen (Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Bezugsnorm)

    Der Faktor "Motivation" wird dabei mit einbezogen - ein nicht unerhebliches Moment bei schulischen Leistungen.

     

    "Wie sich in mehreren Studien gezeigt hat (Vgl. Krug & Lecybyl, Krug & Kuhlmann) eignet sich insbesondere die Implementierung individueller Bezugsnormierung dafür, auf Schülerseite ein erhöhtes Interesse hervorzurufen. Speziell die Gruppe der leistungsschwachen Schüler profitierte in oben aufgeführten Studien von dem veränderten Unterrichtsvorgehen. Dies traf auch in weitaus schwächerem Ausmaß auf die Gruppe der leistungsstarken Schüler zu. In der mittleren Leistungsebene wiederum konnten keine bemerkenswerten Veränderungen der Schulleistungen festgestellt werden." (ebd.)

     

    Hinzu kommt, das Lehrer - teils unbwußt - z.B. nach (Schüler) Namen benoten:

    „Studie an Schulen "Kevin ist kein Name, sondern eine Diagnose" - Wie deutsche Grundschullehrer Kinder aufgrund ihrer Vornamen in Schubladen stecken“ (Quelle: http://www.zeit.de/wissen/2009-9/vorurteile-namen-grundschullehrer)

    "Bestimmte Vornamen führen bei vielen LehrerInnen zu Vorannahmen, was die Fähigkeiten und das Verhalten der Kinder betrifft. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der Oldenburger Erziehungswissenschaftlerin Prof. Dr. Astrid Kaiser und ihrer Mitarbeiterin Julia Kube von der „Arbeitsstelle für Kinderforschung“." (Quelle: http://www.presse.uni-oldenburg.de/mit/2009/390.html)

     

    Zu Ihrer letztgestellten Frage:

    Objektivität ist nachweislich eine Illusion - gerade darum ist es so wichtig, dass sich Lehrer genau überlegen, welches Konzept sie anwenden und nicht nur "aus dem Bauch heraus" benoten - wie es gerade Lehrer älteren Semesters teils noch immer praktizieren.

    War es vor 25 Jahren noch möglich einen Ausbildungsplatz mit einem schlechten Hauptschulabschluss zu bekommen - ist es heute die Fahrkarte in die zementierte Prekarität.

  • H
    Holkan

    Gehört Frau Lehmann auch zu den bildungsfernen Schichten? Nicht aufgepasst im Deutschunterricht oder sind die Lehrer schuld?

    Denn wie sonst ist es zu erklären, dass viele Texterinnen einen als Satire gedachten Artikel mit dem Wort "Kommentar" überschreiben?

  • M
    Musterman

    Genau, endlich mal jemand der das verstanden hat.

     

    Eine unverschämtheit von Eltern zu erwarten ihrte Kinder selber zu erziehen! "Erziehungsberechtigt" heißt doch nur das Recht darauf, Kinder verwarlosen zu lassen oder eben nicht. Und auf dieses Recht möchte ich weiter - ohne jedwede Verantwortung für das Kindeswohl übernehmen zu müssen - bestehen.

  • SB
    Simon Brücken

    Hä? Nein, Phantasielosigkeit sollte nicht auch noch nachmittags fortgeführt werden.

    Der Bildungsbegriff beschränkt sich immer nur auf die Schule, dabei bieten das freiwillige Lernen, das freie Spiel, der Aufenthalt draußen und Erlebnisse mit allen Sinnen die nachhaltigsten und besten Lernerfahrungen. Leider können die wenigsten Schulen das anbieten, sondern stehen als betonierte Frontalbildungsanstalten im Land. Aus der Angst, Kinder könnten sich irgendwie verletzen (= mit Gefahren umgehen lernen) sind Schulhöfe eintönige Öden und Kinder werden zunehmend verwahrt, ob in Ganztagsschulen oder sonstwo. Stets unter Aufsicht zwischen TÜV-geprüften Spielgeräten.

    Um Kinder aus allen gesellschaftlichen Schichten und mit allen kulturellen Hintergründen zu bilden brauchen wir zu allererst flächendeckend ein durchlässiges Schulsystem, sprich: Gesamtschulen sowie kleinere Klassen. Außerdem brauchen wir freie Erfahrungs- und Entfaltungsräume für Kinder. Dafür ist mehr Phantasie in Schulen gefragt, aber auch mehr Phantasie in den Nachmittagsangeboten für Kinder. Dazu gehören die, leider nur in bedrohten Nischen existierenden, Abenteuerspielplätze, Kinderbauernhöfe und Jugendfarmen, aber auch Waldkindergärten u.ä. Bildung passiert draußen, und nicht als Simulation des Lebens drinnen! Wer Beruf, Familie und Bildung vereinbaren will, sollte nicht nur dafür sorgen, dass Kinder irgendwo aufbewahrt werden (und belehrt werden), sondern attraktive Angebote für Kinder schaffen (und zwar alle zusammen, und nicht gegeneinander).

  • V
    Vater/Lehrer

    Ich habe mich erst wahnsinnig über den Inhalt aufgeregt und zwar erst als Lehrer, dann aber auch als Vater. Ich kenne vier Schulen gut, an einer habe ich gearbeitet, an zweien arbeite ich aktuell, auf eine geht mein Kind. Zwei klassische Gymnasien, zwei Gesamtschulen, alle vier "Ganztagsschulen" (in Hessen). Sie werden an jeder dieser Schulen von morgens um spätestens 7.45 bis abends um 18 Uhr Kolleginnen und Kollegen in Klassenräumen finden. Die gehen dann nachhause und den Unterricht vorbereiten, korrigieren Berge von arbeiten und telefonieren mit Eltern. Von Kindern mit Problemen oder mit Eltern, die Probleme haben. Manche davon auch mit ihren Kindern.

    Ein Teil dieser Kinder sind "faul" und manche sind auch "aufsässig". Gehört zum Job. Aber vor allem zum Job der Eltern! Das sage ich zuerst als Vater, aber auch als Lehrer. Ich möchte nicht, dass wesentliche Aspekte der Persönlichkeitsbildung nicht von den Eltern geregelt werden.

     

    Im Gegensatz zu der völlig abstrusen Aussage:

    "pädagogische Verantwortung für die Bildung und Erziehung der Schüler tragen die Lehrkräfte", steht in der hessischen Verfassung:

     

    Artikel 55

    Die Erziehung der Jugend zu Gemeinsinn und zu leiblicher, geistiger und seelischer Tüchtigkeit ist Recht und Pflicht der Eltern.

     

    "Faulheit" und "Aufsässigkeit" sind aus gutem Grund primär Elternjob, mit den Auswirkungen haben dann die Lehrkräfte zu tun. Kinder, die nächtelang Computer spielen, ohne Frühstück oder völlig mit Zucker zugedröhnt in die Schule kommen. Bei denen manchmal nicht nachgefragt wird, was in der Schule gemacht wird oder wie es läuft. Und wo oft niemand zum Elternabend kommt.

    Die Lehrer dürfen dann mit den Konsequenzen leben, den Konsequenzen von verantwortungslosen und an den Kindern desinteressierten Eltern.

     

    Und richten sollen es dann die Lehrer, so Frau Lehmann, und länger in der Schule bleiben. Da ist sogar was dran ... das Problem ist aber:

    - es wird nicht genug für den Ganztagsunterricht ausgegeben. Irgendwelche Studis werden billiger "Nachmittagsbetreuung" an, als qualifizierte Pädagogen.

    - die Kinder sind teilweise, hier spielt in vielen Bundesländern übrigens die Schulzeitverkürzung eine zentrale Rolle, teilweise massiv überfordert, wenn Nachmittagsunterricht "richtiger Unterricht" ist und kein breites pädagogisches Angebot. De fakto haben hier siebte Klassen längere Arbeitstage als manche Taz-Schreiberinnen ... dass, dies nicht geht müssen beide "Betroffene", Eltern und Lehrkräfte, aushalten.

    "Aufsässigkeit" ist dann Systemfehler/-folge.

    - die Lehrkräfte haben auch ein Recht auf menschenwürdige Arbeitszeiten und -bedingungen. Wer den Unterricht vorbereitet und die "Lehrerhausaufgaben" halbwegs richtig macht, hat neben den 26 Stunden Unterricht nochmals mehr als die gleiche Arbeitszeit zu stemmen. Wer fünf Tage die Zeit in der Schule verbringt und kann diese Arbeit nicht machen. Weil in den Schulen keine Möglichkeit besteht - es fehlen schlicht Arbeitsräume, Computer, Gesprächszimmer, Bücher, Material, ...

    - die Mehrheit der Lehrkräfte, die ich kenne, verbringt unbezahlt ca. 10-20 Stunden wöchentlich in oft ungemütlichen Lehrerzimmern oder beim Wechsel von Schule 1 nach Schule 2 auf der Straße. Weil die Unterrichtszeit nicht anders verplant werden kann

     

    - gebt uns mehr Kolleginnen und Kollegen, gebt uns anständige Räume zum Vorbereiten oder Pause machen oder Elterngespräche führen, Wlan, ausreichend Sitzplätze im Lehrerzimmer, Zeit für pädagogische Konferenzen, den Eltern Zeit für Elternabende

     

    Und mir als Vater & Lehrer aber auch mal Zeit und Freiraum mit meinem Kind.

     

    Noch was:

    Wenn ich bei der taz etwas zu sagen hätte, würde ich Frau Lehmann gerne mal ein Praktikum verordnen. Dieses Stammtischgeseiere nervt gewaltig.

  • UN
    Uta N.

    Ein recht symptomatischer Kommentar, wie mir scheint. Da gibt es eine Studie, in der Lehrer befragt wurden und diese Lehrer geben zu Protokoll, dass das Unterrichten schwieriger geworden sei, weil Disziplin, Motivation und Konzentrationsfähigkeit bei den Schülern in den letzten Jahren abgenommen haben.

    Außerdem sei das Lehrer-Eltern-Verhältnis belastet.

     

    Der Kommentar beginnt gleich mit der Schilderung eines Elterngefühls, die Lehrer wollten ihre (Lehr-)Aufgaben an die Eltern abtreten, seien nicht reflektiert genug, hätten den Beruf verfehlt, wenn sie sich über zunehmend fehlende Disziplin und Konzentrationsfähigkeit beschweren. Sollten zusehen, dass sie die Kinder eben selber in den zwei bis fünf Stunden, die sie Kinder (in der weiterführenden Schule) wöchentlich sehen, selber so gut erzogen bekämen, dass die Kinder eben fröhlich, motiviert, diszipliniert und konzentriert arbeiteten.

    Aus Elternsicht wir hier also gleich der Lehrer abgekanzelt als sowohl fachliche als auch pädagogische Fehlbesetzung.

     

    Lehrer sehen ihre Schüler nur wenige Stunden in der Woche und haben teilweise mit Eltern zu tun, die ihren Kindern gegenüber in einer ähnlich abfälligen Art über Lehrer sprechen wie sie in diesem Kommentar vorherrscht. Viele Eltern haben dann auch kein Problem damit, dem Lehrer mitzuteilen, wie er seinen Job zu machen habe: Der kleine Franz ist hochbegabt und muss deshalb die Hausaufgaben nicht machen, Jennifer kann sich nur am Fenster konzentrieren, Claudia, Lara, Lusia, Josef, Ali und Cem müssen alle ganz dringend direkt vorne am Pult sitzen, weil sie sich sonst nicht richtig konzentieren können und auf Karl, Franziska und Leonie soll doch bitte der Lehrer ganz individuell eingehen und die Aufgaben nochmal erklären, die verstehen es eben nicht so gut, wenn er das nur einmal für alle erklärt.

    Neben diesen Kindern mit der kämpfenden Elternschar sitzen in der Klasse aber noch die Kinder mit sozial schwierigem Hintergrund, die Kinder mit ADS, mit ADHS, mit dem Asperger-Syndrom, mit einer LRS, mit Dyskalkulie, mit Elternhäusern, in denen sie am Nachmittag und Abend Schlimmes erleben, die morgens übermüdet sind und andere Dinge im Kopf haben als Unterricht. Viele Kinder sind vielleicht wirklich "einfach nur" respektlos, haben zu Hause gelernt keinen Respekt vor Lehrern oder Erwachsenen im allgemeinen zu haben, haben eine irgendwie geartete Konzentrationstörung etc.

    Das alles macht das Unterrichten nicht leichter und all diese Schwierigkeiten wirken sich massiv auf den Unterricht aus, denn je mehr ein Lehrer in einer Stunde als Sozialarbeiter tätig werden muss und versuchen muss, eigentlich normale Erziehungsgrundlagen den Kindern neu beizubringen, desto mehr leidet guter Unterricht.

     

    Und trotzdem ist der Lehrerberuf ein schöner Beruf; auch das geht deutlich aus der Umfrage hervor.

  • K
    Kein_Lehrer:

    Kinder sind Spiegelbild der Gesellschaft,

    in der sie aufwachsen!

    .

    Lehrer sind keine Erzieher!

    .

    Schule ist eine Behörde die zwischen Verwaltung und Anspruch ihrer Nutzer zerrissen wird.

    ######

    Und diese Widersprüche liebe Anna, bekomm einmal gelöst!

    .

    Im Verhalten und Anspruch hetrogene Gruppen von 30 Kndern, vom Bildungsbürger bis zum "8Std Fernsehkosument" aus ca 10-15 verschiedenen Kulturkreisen, sollst du individuell fördern, die Schwachen unterstützen, die Starken weiterbringen, dazu möglichst allen die gleichen Möglichkeiten geben.... und die gesamte Gruppe (wenigstens 80%) zum ABI bringen. :-(

    .

    Das ganze in einer halb baufälligen Schule, die struktuell Unterfinanziert ist, mit einer Ausstattung aus den 80ger Jahren,mit einer Ausbildung, die fachlich Hoch aber pädagogisch Rudimentär ist, einem Personalstamm der überaltert ist, Leistungsanforderungen von oben, ohne Hilfskräfte, ohne Etat,.... in einem System, in dem die Arbeitszeit des Hausmeisters wichtiger ist, als der Anspruch der Schüler!

    .

    Zu Kurz gesprungen liebe Anna.

    .

    Das die "Herdprämie" besser in der Schule anglegt wäre, steht ausser Zweifel. Das aber Schule grundlegend von einer "Wissenvermittlungsbehörde" zu einer "MIT-Erziehungsinstanz" umgebaut werden muss, auch!

    .

    Dazu gehört GELD, abschaffen der Kultusminister,..... nochmal Geld und dann ein langer Prozess, der von allen Beteiligten gemeinsam getragen wird. Schule kann nur bedingt gesellschaftliche Defizite ausgleichen.

    .

    In einer Gesellschaft die keine gemeinsamen Grundlagen mehr hat kann sie ein Platz sein, an dem solche Grundlagen geschaffen werden können,sie aber nicht vorgeben.

    .

    Sprich: Wenn rundrum brutale Ellbogen gut sind,kannst du in der Schule nicht erwartn, das dort Solidarität herrscht.

    .

    Ist wie bei Kirchens:-) Tolle Ideen,guter Anspruch (in der Theorie) nur der Alltag und das Handeln ist ganz anders :-(( sprich Sonntags beten, von Montag bis Freitag ausbeuten:-((

    .

    Gruss

    Sikasuu

    (Kein Lehrer)

  • H
    Häää?

    "Denn wie sonst ist es zu erklären, dass viele Lehrer zwar feststellen, dass die Herkunft der Schüler einen großen Einfluss auf deren Leistungen hat, ihre eigene Benotungspraxis aber als objektiv einschätzen."

     

    Häää? Wo soll gerade der Widerspruch sein? Sorry, wenn ich gerade ausfallend werde, aber das ist gerade dummlinkes Geschäz unterster Schublade.

  • JK
    Jan Körner

    Schritt 1 muss heissen

    "Abschaffung der Bedarfsprüfungen für die Ganztagsbetreuung in den offenen Ganztagsschulen."

     

    Diesen ersten Schritt will Politik nicht gehen oder noch schlimmer, sie wollen ihn gar nicht (er)kennen. Warum also sollen Lehrerinnen sich her gegen das Politik-Sytem auflehnen? Um dann freiwillig für weniger Wertschätzung mehr Dienstleistungen an unseren Kindern realisieren?

  • F
    fmann

    ganztagsschule, wenn , dann auf jeden fall nicht für alle. ich möchte, dass meine kinder nachmittags bei mir zu hause sind (ich arbeite teilzeit und kann mir meine arbeit oft gut einteilen). für was habe ich denn kinder? dass ich sie erst spät nachmittags sehe, nein danke!

  • K
    Karsten

    Die unfähigen, bösen Lehrer mal wieder. Wird das nicht irgendwann langweilig?

  • DR
    Dr. rer. Nat. Harald Wenk

    Das "Tragen von Verantwortung" ist zu recht Gegenstand des "Volkswitzes".

     

    "Packt ihr zwei mal die schwere Waschmaschine und tragt sie die Trepe hoch!!(!!)".

    "Und was tragen Sie?(!)".

    "Ich trage die Verantwortung!(!)".

    (Zerbeulte Waschmaschine auf mit abgesprungen Splittern übersäten Treppenabsatz als Schlussequenz).

     

     

    Daneben gibt es noch den genialen Roman von Jürgen Link. "Bangemachen gilt nicht", in dem es um den politischen V(erantwortung)-Träger geht.

    Mit dem "Mann der es klammheimlich durchzieht" zum Beispiel.

     

    Davon gibt es in Zeitungsredaktionen überraschend viele.

     

    Soviel zum "de jure" bei "de facto" (empirischen) Untersuchungen, wobei ich für die Untersuchungen bei den "Maintsream"-Meinungsforschugnsinstituten AUCH jede Verantwortung ablehnen würde.

     

     

    Selbstverständlich hat der Lehrer zu wenig Einfluss auf die Schüler, Stoff, Schule, Geld und vieles andere, als dass für ihn als sozial fiktionierten "Demiurg" des Unterrichtes eine Vollzuschreibung des Effektes auf die Schüler in Frage käme.

     

    Aufoktroyierter, verordneter Größenwahn der Leher.

     

    Wenn ich bedenke, dasa es im Abendlad seit 1000(!!!!!) Jahren Schule gibt, und der Alphabetiserungsgrad hier seit 100 Jahren sehr hoch ist, erklärt ich mir fast alles, was die Schule betrifft. Da wird "Herrschaft durchgereicht".. allerseits.

  • K
    Klaus-Bärbel

    Sie schreiben: "Denn wie sonst ist es zu erklären, dass viele Lehrer zwar feststellen, dass die Herkunft der Schüler einen großen Einfluss auf deren Leistungen hat, ihre eigene Benotungspraxis aber als objektiv einschätzen."

     

    Ist das wirklich ein Widerspruch? Angenommen, zwei Schüler_innen aus unterschiedlichen Elternhäusern erfahren dort tatsächlich eine unterschiedliche Betreuung. Wenn dann das Akademiker_innen_kind (mit viel Betreuung) bessere Leistungen zeigt, als sein_e Mitschüler_in aus, sagen wir, einem Alkohoiliker_innen_haushalt, sollte die Lehrer_in das dann Ihrer Meinung nach in der Notengebung kompensieren? Müsste das Kind mit ungünstigem Elternhaus einen Bonus bekommen? Und wäre ein solches Ergebnis, bei dem beide dann folgerichtig für gleiche Leistungen auch unterschiedlich gute Noten bekämen, in Ihrem Sinne gerecht?

     

    Auch wenn die Herkunft der Kinder einen Einfluss auf deren Schulleistungen hat, sind diese Leistungen aber durchaus objektiv bewertbar. Fraglich ist lediglich, ob man dem Kind damit gerecht wird. Hier wiederum dürfte keine objektive Antwort möglich sein.

  • S
    Swanni

    Das sind doch alles faule Säcke