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Kommentar LandtagswahlenGrüne im Regen

Ulrike Winkelmann
Kommentar von Ulrike Winkelmann

Alle feiern in Hessen, bloß die Grünen nicht. In Hessen und Niedersachsen zeigt sich ihr Dilemma: Politisch stecken sie fest, zwischen den Koalitionsmöglichkeiten.

Politik kann so gemein sein: Das bekommen in diesen Tagen die Grünen zu spüren. Alle anderen Parteien hatten am Wahlsonntag einen Sieg zu feiern - nur die Grünen nicht, ausgerechnet! Dabei sind sie die Einzigen, die wirklich immer ihre Hausaufgaben machen. Brav haben sie im vergangenen Jahr ihren Kurs wieder nach links korrigiert, weil für die Basis die schwarzgrüne Andienerei zu früh kam. Brav haben sie, ganz genau wie die Großen, die Linkspartei zu Schmuddelkindern erklärt, damit niemand vergisst, wo das politische Establishment sitzt und wer nicht dazugehört.

Und jetzt das. In Niedersachsen haben die Grünen von einer unfassbar schlechten SPD kaum halb so viele Stimmen bekommen, wie sie an Nichtwähler verloren. Und in Hessen stellt die SPD mit Hermann Scheer gerade mal den einzigen glaubwürdigen Umweltpolitiker auf, den sie überhaupt hat, und schon macht ein Gutteil der Grünenwähler rüber zu den Roten.

Dass die Leute, die von den Grünen zur Linkspartei gegangen sind, von der neuen sozialen Ader der Grünen nichts mitbekommen haben, dürfte eingepreist gewesen sein. Doch im Koalitionierungsgezerre in Hessen müssen die Grünen jetzt den geduldigen Trottel geben, der auf jeden Fall mitspielen will. Wenn Andrea Ypsilanti es mit den Linken macht, werden die Grünen dabei sein. Wenn die FDP zur Ampel hin umfällt, umso besser. Geht Ypsilanti dann doch lieber in eine große Koalition, dürfen die Grünen nicht mitmachen. Nach ihrer Meinung gefragt werden sie von niemandem.

Die Grünen stecken fest, sie sind nicht Herr ihrer Lage. Die Kräfteverhältnisse haben die kleine, tapfere Partei eingequetscht. Die Linke zwingt die SPD zum Umbau, prompt verlieren die Grünen an beide roten Parteien. Die Öffnung nach rechts wird den Grünen auch nicht gedankt - nicht von den eigenen Leuten, nicht von den Wählern. Gegenwärtig sieht es nicht so aus, als könnten die Grünen die Linkspartei oder die FDP überflüssig machen. Vorläufig müssen sie sich an ihre Ökokompetenz klammern und der Dinge harren, die da kommen.

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Ulrike Winkelmann
Chefredakteurin
Chefredakteurin der taz seit Sommer 2020 - zusammen mit Barbara Junge in einer Doppelspitze. Von 2014 bis 2020 beim Deutschlandfunk in Köln als Politikredakteurin in der Abteilung "Hintergrund". Davor von 1999 bis 2014 in der taz als Chefin vom Dienst, Sozialredakteurin, Parlamentskorrespondentin, Inlandsressortleiterin. Zwischendurch (2010/2011) auch ein Jahr Politikchefin bei der Wochenzeitung „der Freitag“.

1 Kommentar

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  • LP
    Ludwig Paul Häußner

    GRÜNE als Keil!

     

    Hier irrt Frau Winkelmann. Denn nach jedem Regen kommt ein Sonnenschein!

     

    Auch die GRÜNEN haben die Chance sich offensiv für eine Koalitionskonstellation zu entscheiden.

     

    In Hessen sollte es eine Ampelkoalition sein. Wenn eine demokratische Partei wie die FDP sich dem verweigern würde, weil sie glaubt, dass sie seit 1982 nur mit der CDU koalieren könnte, dann sollte die FDP per Mitgliederbeschluss mit der CDU fusionieren.

     

    In anderen Bundesländern könnte dies aus der Sache heraus auch eine Jamaika-Koalition sein.

     

    Statt sich eingekeilt zu fühlen, müssen die GRÜNEN einfach weiterhin vorn sein und zwar mit folgenden Themen:

     

    - bedingungsloses Grundeinkommen

     

    - der Wandel vom einkommensbasierten Steuerwesen hin zu einem globalisierungstauglichen konsumbasierten Steuerwesen

     

    - CO2-Abgaben mit Rückvergütung pro BürgerIn

     

    - mit frei-öffentlichen Schulen und Hochschulen und einer Subjektförderung eines jeden Kindes mittels staatlich finanzierter Bildungsgutscheine.

     

    Statt eingekeilt sein, sollten die GRÜNEN auf diesen Politikfeldern selbst Keil sein, um die veralteten Denkmuster der längst vergangenen Industriegesellschaft aufzuspalten.

     

    Wie sagte doch schon Albert Einstein? Es sei leichter ein Atom zu spalten als ein Vorurteil.

     

    Ludwig Paul Häußner

    Mitglied der GRÜNEN in Karlsruhe