Kommentar Lampedusa: Nächste Station: Sardinien
Die Abschottungspolitik Europas hat dramatische Konsequenzen für die Flüchtlinge: Mit jedem Schritt steigt die Zahl derer, die ertrinken, verdursten, erfrieren.
Eines kann man der Regierung Berlusconi ganz gewiss nicht vorwerfen: dass sie ihre Wahlversprechen nicht hält. Berlusconi gewann die letzten Wahlen vor neun Monaten, indem er eine "Sicherheitsoffensive" ankündigte. Und allen war sofort klar: Dieses "Versprechen" war nicht zuletzt eine unverhüllte Drohung - eine Drohung gegen all jene, die der Armut in Afrika oder in Asien zu entfliehen suchen, indem sie sich nach Italien aufmachen.
In Lampedusa macht Italiens Regierung jetzt mit dieser Drohung Ernst. Keiner derjenigen, die ihr Leben auf der Überfahrt riskiert haben, soll sich mehr Hoffnungen machen können, für sie oder ihn sei die Insel das Tor zu Europa. Lampedusa als Endstation vor der umgehenden Abschiebung - so wollen Berlusconi und sein Innenminister Roberto Maroni das Problem ein für alle Mal erledigen.
Gut möglich, dass sie damit Erfolg haben - dass es ihnen tatsächlich gelingt, das Tor Lampedusa endgültig zu verrammeln. Wirklich erfolgreich wird ihr Schachzug dennoch nicht sein. Denn wo immer europäische Regierungen in der Vergangenheit den Zugang zum Kontinent erschwert haben, haben sie bloß eines erreicht: dass sich die Einwanderungsströme verlagerten. Wenn im letzten Jahr die Zahl der Flüchtlinge in Lampedusa sprunghaft anstieg, dann lag das nicht zuletzt daran, dass Spanien den Zugang zu den Kanaren erschwert hat. Das Gleiche wird in der Ära "nach Lampedusa" geschehen: Schon in den letzten Monaten nahm die Zahl der in Sardinien anlandenden Boote deutlich zu.
Auf den ersten Blick findet da ein folgenloses Katz-und-Maus-Spiel statt. Doch die Abschottungspolitik Europas hat dramatische Konsequenzen für die Flüchtlinge: Mit jedem Schritt werden ihre Überfahrten länger und riskanter, steigt die Zahl derer, die ertrinken, verdursten, erfrieren.
Europas Staaten tun so, als seien die tausenden Toten nicht ihr Problem, als seien bloß "skrupellose Menschenhändler" schuld. Diese Menschenhändler allerdings finden ihre bleibende Geschäftsgrundlage in der europäischen Nichteinwanderungspolitik. Und sie wissen: Auf die europäische Politik ist Verlass. Italiens Regierung hat es gerade wieder gezeigt.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
„Edgy sein“ im Wahlkampf
Wenn eine Wahl als Tanz am Abgrund verkauft wird
Denkwürdige Sicherheitskonferenz
Europa braucht jetzt Alternativen zu den USA
Tabubruch der CDU
Einst eine Partei mit Werten
Erpressungs-Diplomatie
Wenn der Golf von Mexiko von der Landkarte verschwindet
Jens Bisky über historische Vergleiche
Wie Weimar ist die Gegenwart?
Jugendliche in Deutschland
Rechtssein zum Dazugehören