Kommentar Lafontaine: Der sozialdemokratische Albtraum
Fast 20 Prozent der Saarländer würden ihr Kreuz bei der Linken machen. Die SPD muss Angst haben, dass ihr die Linke den Rang abläuft.
Das Programm heißt Lafontaine. Für viele Saarländer ist das Grund genug, der Linken im Herbst 2009 zum Einzug in den Landtag in Grundschulklassengröße zu verhelfen. Mit der Legende Lafontaine an der Spitze ist die Linke an der Saar Volkspartei. Fast 20 Prozent der Saarländer hätten schon vor der Wahl Lafontaines zum Spitzenkandidaten nach Umfragen ihr Kreuz bei der Linken gemacht. Und nach der Kür? In nur einem Jahr hat die Linke ihre Mitgliederzahl von ein paar hundert Genossen auf mehr als 2.600 steigern können. Ganze Belegschaften wie die Busfahrer der Saarbahn GmbH traten fast geschlossen in die Linke ein. Sozialdemokraten und auch Grüne - darunter eine Landtagsabgeordnete - konvertierten. Der Menschenfischer Lafontaine wird weiter seine Netze auswerfen. Und viele Sozis werden darin zappeln.
Schließlich ist die Agenda 2010 gerade bei der durch den Strukturwandel und den für 2012 wohl endgültig beschlossenen Ausstieg aus dem Bergbau besonders von Zukunftsängsten geplagten Bevölkerung im Land so beliebt wie Ausschlag am Mund. Und solange Sozialdemokraten wie der Berliner Finanzsenator Sarrazin von Armut bedrohten Menschen raten, der Kälte doch mit langen Unterhosen und zwei Pullovern zu trotzen, braucht sich die Linke um weiteren Zulauf nicht zu sorgen. Schon zum Jahreswechsel rechnet der Linksparteichef Rolf Linsler mit mehr als 3.000 Mitgliedern und einem Wählerpotenzial von 25 Prozent plus x.
Die Horrorvision von SPD-Landeschef Heiko Maas, dass die Linke an der Saar vor der SPD über die Ziellinie geht, könnte also in einem Jahr tatsächlich Wirklichkeit werden. Es wäre ein Dammbruch. Das Wasser bis zum Hals stehen wird dann auch der Führungsspitze der SPD in Berlin, die immer noch larmoyant den "Populismus" des "Demagogen" Lafontaine beklagt und ihren Landesverbänden hilf- und konzeptlos empfiehlt, vor ihren Landtagen schnell noch ein paar Warndreiecke aufzustellen. Ein solcher Dammbruch wäre der krönende Abschluss des Rachefeldzuges des sozialdemokratischen Renegaten Lafontaine.
KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT
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