Kommentar Lafontaine-Nachfolge: Die verdoppelte Partei
Die Linkspartei hat Flügel aber keine stabile Mitte. Ihr Fehlen wird im Totalproporz der neuen Doppelspitze augenscheinlich. Die Partei ist sich selbst so fremd wie nie geworden.
D ie Linkspartei hat ihre Führungskrise in Windeseile beendet. Normalerweise gilt ein solches Tempo als Ausweis von Entschlusskraft und professionellem Krisenmanagement. In diesem Fall aber scheint es vor allem aus der schieren Angst geboren zu sein, dass sonst das Chaos ausbricht und die Partei komplett in verfeindete Grüppchen zerfällt. Also bloß kein Machtvakuum riskieren. Bloß schnell alle, Pragmatiker und Linksradikale, Ostler und Westler, einbinden. So ist für alle ein Bonbon in der Tüte. Caren Lay für die Realos, Klaus Ernst für die West-Gewerkschafter, Sahra Wagenknecht für die linken Linken. Ob das ein arbeitsfähiges Team wird oder nur eine Art verdeckte Klientelwirtschaft, ist offen. Mindestens.
Gysi hat kürzlich die Schwäche der Linkspartei präzise beschrieben. Es fehlt eine stabile Mitte. Dieses Personaltableau ist der Versuch, diese Mitte, wenn es sie schon nicht gibt, wenigstens zu inszenieren. Deshalb ist Gesine Lötzsch, die politisch auffällig Unauffällige, jetzt die Karriereleiter hochgefallen. Es reicht in der Linkspartei derzeit offenbar schon, mit allen reden zu können, um sie zu führen. Kein gutes Zeichen.
Aus Angst vor dem Zerfall hat die Parteispitze alles sorgfältig doppelt vertäut. Es gibt zwei Parteibildungsbeauftragte, ordentlich nach Ost/West, Mann/ Frau quotiert. Es gibt sogar eine doppelt quotierte Bundesgeschäftsführung. Auf diese Idee sind noch nicht mal die Grünen gekommen. So viele Haltestricke und Absicherungen sollen den Sturz ins Bodenlose verhindern - der Preis dafür kann Bewegungsunfähigkeit sein.
Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz. Er beobachtet seit langer Zeit die Entwicklung der SPD, der Linkspartei – und ihr Verhältnis zueinander.
Außerdem gibt es eine Art Lex Wagenknecht. Vizeparteichefin wird sie nun, was Gysi & Co vor gut eineinhalb Jahren noch mit aller Macht verhinderten. Wer zur Parteispitze gehört, soll künftig in keiner Strömung mehr aktiv sein dürfen. So sollen Flügelfiguren wie Wagenknecht per Beschluss zur Loyalität gezwungen werden. Souverän ist das nicht.
Die Linkspartei ist sich so fremd wie noch nie. Viele im Osten sind noch immer wütend wegen der Intrige gegen Bartsch. Viele im Westen sind nach Lafontaines Rückzug verstört. Die machtarithmetisch genau ausgeklügelte Führung ist der wahrscheinlich alternativlose Versuch, die Selbstzerstörungskräfte einzuhegen und irgendwie weiterzumachen. Und doch mutet die Führung an wie ein seltsames Gefährt. Es hat viele, viele Stützräder und wackelt trotzdem.
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