Kommentar Kurt Beck: Verwalter, nicht Autor der Krise
Auch wenn Parteichef Beck unter Dauerbeschuss steht: Die SPD braucht keinen anderen Vorsitzenden.
Stefan Reinecke ist Redakteur im Parlamentsbüro der taz.
Es gab selten einen Politiker, der sich so viel Unterstellungen und Diffamierungen anhören musste wie SPD-Chef Kurt Beck. Und der so wenig Chancen hat, den Kreislauf der schlechten Nachrichten zu durchbrechen. Duldet er stumm das mediale Dauerfeuer, ist dies ein sicheres Indiz seiner Schwäche. Wehrt er sich, wie kürzlich, beweist er bloß, dass seine Nerven blank liegen. Seit Becks Zickzack-Kurs der Linkspartei gegenüber und der Hessenwahl scheint klar: Egal, was passiert, am Schluss verliert immer Beck.
Die SPD-Krise ist ein medialer Selbstläufer geworden. Es reichen auch nur erahnte Gerüchte über Illoyalitäten in der SPD, um das Spiel in Schwung zu halten. Auch die mittlerweile im Wochenrhythmus veröffentlichten Treueschwüre für den SPD-Chef nutzten da nichts mehr.
Wäre es also klug, wenn die SPD der Treibjagd endlich nachgäbe? Wenn Beck sich still nach Mainz verabschiedet und Steinmeier SPD-Chef und Kanzlerkandidat wird? Mitnichten. Es wäre töricht, vielleicht sogar verhängnisvoll. Und zwar aus zwei Gründen. In der SPD rumort nach wie vor der Streit über die Agenda-Politik. Beck hat ihn so gut es geht moderiert, das Soziale - etwa bei Mindestlohn und Altersteilzeit - betont, ohne mit der Agenda-Politik zu brechen. Dieser mittlere Kurs hat nichts Heroisches. Aber es gibt dazu keine machbare Alternative. Wenn Steinmeier, Miterfinder der Agenda, die SPD nun zurück zu Schröder führen würde, hätte das fatale Folgen. Die Linkspartei würde noch stärker, der Flügelkampf mit Verve ausbrechen, die innere Balance der SPD ganz aus dem Lot geraten. Kurzum: Gerade wenn Steinmeier Kanzlerkandidat der SPD werden will, braucht er einen handlungsfähigen SPD-Chef Beck. Ansonsten wird die daily soap "SPD-Krise" fröhlich weitergehen, dann mit neuer Hauptrolle.
So what? Die SPD darf nicht vergessen, dass Beck nur der Verwalter der Krise der Partei ist, nicht ihr Autor. Sie muss wohl oder übel durchhalten und auf besseres Wetter hoffen. Keine schöne Aussicht. Die Flucht nach vorn aber führt ziemlich sicher in den Abgrund. STEFAN REINECKE
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