Kommentar Kundus-Ausschuss: Töten außer Kontrolle
Der weitgehend folgenlose Abschluss der Untersuchungen zeigt, Auslandseinsätze sind nicht kontrollierbar. Denn die Koalitionsfraktionen wollen es nicht.
N ie zuvor hat es so viele Tote bei einem durch Bundeswehr-Befehl verantworteten Militärangriff gegeben wie im September 2009 nahe Kundus. Die Öffentlichkeit schrie auf, ein Minister musste gehen, der Bundestag setzte einen Untersuchungsausschuss ein. Mehr als zwei Jahre nach dem Angriff ist dieser nun beendet. Was bleibt, ist ein langer Bericht - und eine Öffentlichkeit, die längst nur noch nachlässig verfolgte, was im Bundestag passierte.
Kundus ist dennoch - oder gerade deshalb - eine Zäsur. Denn die von Oberst Klein befohlene Bombennacht war die logische Konsequenz einer deutschen Außenpolitik, die sich nicht mehr als Friedenspolitik begreift, sondern in der die militärische Intervention zur Selbstverständlichkeit geworden ist. Lange hatte die Politik versucht, diese Einsätze vor allem durch hehre, entwicklungspolitische Motive zu rechtfertigen und als letztlich unkriegerisch zu verkaufen. Nach Kundus geht das nicht mehr.
Der dennoch weitgehend folgenlose Abschluss der Untersuchungen zeigt, dass die neu geschaffene Interventionsarmee Bundeswehr kein echtes Gegengewicht zu fürchten hat. Nach dem Grundgesetz kontrolliert das Parlament die Bundeswehr. So war es in Deutschland aus gutem Grund oberstes Prinzip, besonders wenn es um Auslandseinsätze geht.
ist Redakteur im Parlamentsbüro der taz.
Gerade die Koalitionsfraktionen haben - aus kurzfristigem politischem Kalkül - mit destruktiver Arbeit im Ausschuss verhindert, dass das Parlament diese Aufgabe wahrnehmen kann. Sie haben sich selbst entmachtet. Und damit eines klar gemacht: Auslandseinsätze, in Afghanistan oder sonst wo, sind vor allem aus einem Grund nicht kontrollierbar: weil sie politisch nicht kontrolliert werden sollen.
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