Kommentar Kriegsgefahr im Kaukasus: Klare Ansagen an den Kreml
Russlands Interesse müste eigentlich Frieden im Kaukasus sein. Doch so scheint es nur eine Frage der Zeit zu sein, bis die Konflikte an verschiedenen Fronten wieder aufbrechen.
D ie Europäische Union sollte sehr ernst nehmen, was im Kaukasus vor sich geht, denn Russland zündelt auf gefährliche Weise in der instabilen Region. Mit dem - durch Tiflis provozierten - Einmarsch in Georgien und der potenziellen Einverleibung fremden Bodens legt Moskau die Lunte für den Sprengsatz im eigenen Haus. Denn Russlands strategisches Interesse müsste eigentlich Frieden im Kaukasus sein, im Norden wie im Süden. Doch das bekümmert Moskau nicht. So scheint es nur eine Frage der Zeit, bis sich die Kaukasier wie die Tschetschenen wieder gegen Moskau wenden.
Diese Politik Russlands könnte in der Region immer wieder zu Konflikten und sogar zu Kriegen an verschiedenen Fronten führen. Dem russischen Machtdrang in seine alten Einflusssphären kann Brüssel nur zuvorkommen, wenn es entschieden handelt. Daher sollte die EU endlich mit der Prophylaxe beginnen, das heißt, sie muss den Nachbarstaaten Russlands eine enge Kooperation anbieten, wenn sie dies wünschen. Die Beispiele der vernachlässigten Ukraine und des vergessenen Abchasien zeigen dabei, wie es nicht laufen darf.
Von der Konzept- und Mutlosigkeit Brüssels können vor allem die Abchasen ein Lied singen. Dem kleinen Volk am Schwarzen Meer ist die EU bislang keinen Schritt entgegenkommen und wirft die separatistische Republik ihrem Nachbarn im Norden zum Fraß vor. Dabei schaut Abchasien, genau wie der Erzfeind Georgien, über das Schwarze Meer auf die EU. Beide haben die gleiche Perspektive, die sich - vielleicht in zwei oder drei Jahrzehnten - zur Beilegung des territorialen Konflikts - nutzen ließe.
Wirtschaftliche Hilfe und die Bereitschaft der EU, Abchasiens Selbständigkeit anzuerkennen, würde zugleich den Konflikt zwischen Georgien und der Region entschärfen und Russland zum Ein- und Maßhalten zwingen. Anders als Südossetien ist Abchasien lebensfähig und hat längst erkannt, dass Russland weder eine Soft Power ist noch jemals Soft Power besitzen wird.
Wenn die Europäische Union sich Russland gegenüber klar positionierte, würde sie den Kreml vielleicht davor bewahren, Russland selbst zu verstümmeln.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Waffen für die Ukraine
Bidens Taktik, Scholz’ Chance
Aktienpaket-Vorschlag
Die CDU möchte allen Kindern ETFs zum Geburtstag schenken
Israel demoliert beduinisches Dorf
Das Ende von Umm al-Hiran
Unterwanderung der Bauernproteste
Alles, was rechts ist