Kommentar Konjunktur: Die Regierung fährt auf Sicht
Die Regierung antwortet auf die Finanzkrise mit Politik der ruhigen Hand. Das ist immerhin besser als undurchdachter Aktionismus wie die Befreiung von der Kfz-Steuer.
Der Satz war positiv gemeint - und offenbarte doch nur die Hilflosigkeit der Berliner Politik. "Wir fahren auf Sicht", sagte Unions-Fraktionschef Volker Kauder am Mittwoch im Bundestag. Auf Sicht fahren: Das bedeutet in der Luftfahrt und auf hoher See, dass alle Instrumente ausgefallen sind. Kein Kompass mehr, kein Radar und auch kein klarer Kurs. Sondern nur der Versuch, trotz Nebel oder Dunkelheit mit knapper Not die Parkposition zu erreichen.
Die Parkposition, das war für die regierende große Koalition bislang die Bundestagswahl 2009. Union wie SPD hatten für die letzte Strecke eigentlich schon den Autopiloten eingeschaltet. Harmonisches Regieren bis zum Frühsommer, erleichtert durch sprudelnde Steuereinnahmen und historisch niedrige Arbeitslosenzahlen. Danach ein kurzer und harter Wahlkampf zwischen einer weichgespülten Kanzlerin und Franz Münteferings klarer Kante. Anschließend, als wahrscheinlichste Variante, die Fortsetzung der großen Koalition.
Damit, dass Bankenkrise und Wirtschaftsabschwung dieses Szenario bedrohen, wollen sich die Koalitionsspitzen nicht abfinden. Dieser Trotz sprach am Mittwoch mehr als deutlich aus den Reden von Kanzlerin Angela Merkel und SPD-Fraktionschef Peter Struck. Kurs halten, lautet nun die Parole. So weit es eben geht. Da wird der Haushalt erstellt auf der Basis arg optimistischer Wirtschaftsprognosen, da werden Konjunkturprogramme auf europäischer Ebene abgelehnt.
Die Neuauflage von Gerhard Schröders einst viel gescholtener Politik der ruhigen Hand hat allerdings noch einen weiteren Grund: Mit dem Wenigen, was die Regierung bislang an konjunkturellem Aktionismus entfaltete, schuf sie sich nur selbst Probleme - etwa mit der undurchdachten Befreiung von der Kfz-Steuer, die der Konjunktur wenig hilft und Umwelt wie Staatsfinanzen nur belastet. Bloß um des Handelns willen Milliardensummen für Unsinn auszugeben, kann aber nicht die Strategie der Krisenbewältigung sein. In dieser Perspektive ergeben Kauders Worte einen Sinn: Auf Sicht zu fahren ist immerhin noch besser, als sich beim Ausfall der Navigationssysteme obendrein die Augen zuzuhalten.
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