Kommentar: Kommunaler Bürgerhaushalt : Unverbindliche Sandkastenspiele
Schade: Auf halbem Weg hat Nordrhein-Westfalens SPD-Innenminister Fritz Behrens der Mut verlassen. Auf kommunaler Ebene sollen die Bürger künftig mitberaten können – wirklich mitbestimmen dürfen sie nicht.
Dabei spricht alles dafür, das wichtige Projekt des kommunalen Bürgerhaushalts zu einem wirklichen Instrument der direkten Demokratie auszubauen: Was berührt Menschen mehr, was können Wähler besser entscheiden als Fragen aus den Städten und Gemeinden, aus ihrem unmittelbaren Umfeld? Teure Feuerwehrwache, Freibad oder doch besser die Stadtbibliothek – nirgendwo würde Demokratie greifbarer als in der Kommune.
Doch der Innenminister wagt nur den ersten Schritt. Er will die Haushaltslage und die folgenden Beratungen transparenter machen – und das ist gut. Die Menschen werden nach ihren Wünschen befragt. Auch gut. Und diese Anregungen sollen möglichst umgesetzt werden. Noch besser – aber eigentlich eine reine Selbstverständlichkeit, die viel über das Selbstverständnis von Behörden und deren Demokratieverständnis sagt. Noch immer scheinen sich die Verwaltungsfachleute als eine Art Obrigkeit zu verstehen: Die Befragung der Wähler, des Souveräns gerät da plötzlich zum innovativen Akt.
Der Innenminister aber achtet beinahe ängstlich darauf, dass es bei den Befragungen, bei der Vermittlung der oft schwierigen Haushaltslage der meisten Städte und Gemeinden in Nordrhein-Westfalen bleibt. Entscheiden sollen weiter die Kommunalparlamente, nicht die Bürger in direkten Abstimmungen. Und verbindlich anordnen will Behrens sein Instrument der kommunalen Bürgerhaushalte erst recht nicht. Ohne Grund: Der Minister sollte mutiger sein – und den Menschen mehr Verantwortung gerade vor der eigenen Haustür zutrauen. Doch Behrens schreckt davor zurück, das Königsrecht der Parlamente in die Hände des Souveräns zu legen.
Viel Angst, wenig Mut. Direkte Demokratie sieht anders aus.
ANDREAS WYPUTTA