piwik no script img

Kommentar Kölner WohnungsbrandAnkara schürt das Misstrauen

Daniel Bax
Kommentar von Daniel Bax

Das Misstrauen von Migranten haben sich die deutschen Behörden hart erarbeitet. Beim Kölner Wohnungsbrand ist es aber völlig fehl am Platz.

W er will es türkischen Einwanderern verdenken, dass sie aufhorchen, wenn sie die Worte „Brand“ und „türkische Bewohner“ in einem Atemzug hören? Und dass sie deutschen Behörden misstrauen? Deren jahrzehntelanger Ignoranz ist es zu verdanken, dass eine rechtsextreme Terrorzelle aus Thüringen über Jahre hinweg unbehelligt morden und Banken ausrauben konnte.

Die bornierte Haltung des Münchner Gerichts, das die politische Dimension des Verfahrens gegen die mutmaßliche NSU-Terroristin Beate Zschäpe völlig verkennt und sich stur an Regeln hält, bildet nur den aktuellen Tiefpunkt in einer Kette aus Behördenversagen und fehlendem Einfühlungsvermögen. Das Misstrauen, das ihnen entgegenschlägt, haben sich die deutschen Behörden hart erarbeitet.

Das heißt aber nicht, dass jeder Vorwurf berechtigt ist. Zu oft ist bei rassistisch motivierten Taten ein rechtsextremer Hintergrund vorschnell ausgeschlossen worden – doch bei dem Wohnungsbrand, der sich am Wochenende in Köln ereignet hat, war das nicht so.

Bild: taz
Daniel Bax

ist Redakteur für Integration und Migration im Inlandsressort der taz.

Darum sind die Vorwürfe, die aus türkischen Regierungskreisen fast schon reflexhaft erhoben werden, in diesem Fall völlig fehl am Platz. Sie bewegen sich auf dem Niveau der Anschuldigungen, die der türkische Premier Erdogan in schöner Regelmäßigkeit zu erheben beliebt: dass Deutschland den Aktivitäten der PKK freien Lauf lassen würde. Solche offiziell verbereiteten Verschwörungstheorien dienen dazu, sich als Schutzmacht der türkischen Einwanderer in Deutschland aufzuspielen und die Reihen fester zu schließen.

Gegen dieses populistische Kalkül aus Ankara hilft keine Empörung. Es reicht auch nicht aus, darauf zu verweisen, dass Wohnungsbrände keine Seltenheit sind: Das Misstrauen ist da. Deshalb braucht es Fingerspitzengefühl und ein transparentes Vorgehen. Nur so können deutsche Behörden wieder an Vertrauen gewinnen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Daniel Bax
Redakteur
Daniel Bax ist Redakteur im Regieressort der taz. Er wurde 1970 in Blumenau (Brasilien) geboren und ist seit fast 40 Jahren in Berlin zu Hause, hat Publizistik und Islamwissenschaft studiert und viele Länder des Nahen Ostens bereist. Er schreibt über Politik, Kultur und Gesellschaft in Deutschland und anderswo, mit Fokus auf Migrations- und Religionsthemen sowie auf Medien und Meinungsfreiheit. Er ist Mitglied im Vorstand der Neuen deutschen Medienmacher:innen (NdM) und im Beirat von CLAIM – Allianz gegen Islam- und Muslimfeindlichkeit. Er hat bisher zwei Bücher veröffentlicht: “Angst ums Abendland” (2015) über antimuslimischen Rassismus und “Die Volksverführer“ (2018) über den Trend zum Rechtspopulismus. Für die taz schreibt er derzeit viel über aktuelle Nahost-Debatten und das neue "Bündnis Sahra Wagenknecht" (BSW).”
Mehr zum Thema

6 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • L
    lowandorder

    "Deshalb braucht es Fingerspitzengefühl"

     

    Da sagen Se was.

    Auch was Behördenschelte betrifft.

    Nur - ist der in München zuständige Strafsenat

    schon von Verfassungs wegen keine Behörde.

     

    Gewiß - sprechen unbedarfte Justizminister

    schon mal von " nachgeordneten Gerichten"

    und sind Gerichte insoweit auch Behörden.

    Aber ein OVG-Präsident und oberster Verfassungsrichter,

    der bei Antritt von " seinem Beritt" sprach,

    konnte sich mit hochrotem Kopf anhören, ob er

    denn nicht die Reitstiefel vergessen habe.

     

    Egal. Denn - ist doch die Rechtsprechung und die umfaßt nach der derzeitigen

    Rechtslage auch die Ordnung im Gerichtssaal nach dem

    Grundgesetz aus guten Gründen unserer darin schlechten Geschichte

    ( allein) den unabhängigen Richtern anvertraut

    - und nicht den Gerichten (als Behörden).

     

    " Borniert"… " formal"!?

    Ok, das kann man im Ergebnis so sehen.

    Die Öffentlichkeit einer Gerichtsverhandlung dient

    der Kontrolle der Dritten Gewalt.

    Sie wird durch die Bürger, die Medien - aber gerade nicht durch andere Träger staatlicher Gewalt ausgeübt.

    Formal? - ja, wie sonst will der Senat die Gleichheit

    des Publikums/der Öffentlichkeit garantieren?

     

    Aber - statt Windhundsystem - das " spezifische Interesse"

    bei der Platzverhabe zugunsten der Medien, das hätten

    die zuständigen Damen und Herren Richter berücksichtigen können

    - und wohl auch sollen.

    So auch zu recht Hofmann-Riehm, Ex-Vize in Karlsruhe,

    zugunsten der Medienvertreter!

     

    Bezüglich der Teilnahme staatlicher Vertreter

    - vulgo der Herr Botschafter - gilt oben Gesagtes und

    gibt Herr Davutoglu den Herrn Erdogan in ihrem Sinne.

    Anders gewendet - eine Sonderposition zugunsten eines Amtsträgers

    - ein absoluter Revisionsgrund. Punkt.

  • S
    Starost

    Wer will es autochthonen Deutschen verdenken, dass sie aufhorchen, wenn sie die Worte "totgetreten" und "Südländer" in einem Atemzug hören?

  • P
    PeterWolf

    O.K. Herr Bax, deutsche Behörden sind nicht gerade Weltmeister in Feinfühligkeit.

    Aber was empfehlen Sie denn den türkischen Politikern/Behörden/Medien/etc.. pp.

    Oder sind das für Sie keine Institutionen, die der "Kritik" würdig wären, weil eh sinnlos??

     

    Ich warte jedenfalls noch auf eine Bestätigung/Dementierung der von der TAZ veröffentlichen Äusserung von Herrn Bozdag.

     

    Falls die Äusserung (wenigstens sinngemäß im Zusammenhang) stimmt, ist ein Dialog mit Herrn Bozdag zwar möglich, aber sinnlos. (Vgl. Loriot)

  • F
    FaktenStattFiktion

    Bravo, hier werden Ursache und Wirkung vorsätzlich vertauscht.

  • S
    Schorse

    Sehr geehrter Herr Bax,

    habe ich das richtig gelesen: Sie werfen einem Gericht vor, sich "stur an Regeln zu halten"? Was schlagen Sie vor? Generell ein Gremium einzusetzen, das die Regeln für jeden Fall festsetzt? Wer soll das dann sein? Vielleicht Politiker? Dann aber nur, wenns garantiert unfehlbare sind, also Grüne!

  • D
    D.J.

    Danke, Herr Bax, für den insgesamt vernünftigen Beitrag, der auch die Motive der Regierung in Ankara hervorhebt. Ein gewisser Lichtblick bei aller derzeitigen Verschwörungshysterie von links, rechts und türkisch-national.