Kommentar Kieler Wahlgesetz: Nicht verfassungskonform
Das schleswig-holsteinische Wahlgesetz ist verfassungswidrig. Endlich wird dagegen geklagt.
Endlich rufen jetzt Grüne und SSW das Landesverfassungsgericht von Schleswig-Holstein an. Zurecht wollen sie die schwarz-gelbe Regierungsbildung stoppen, denn CDU und FDP haben in Kiel keine verfassungskonforme Mehrheit.
Berechtigt ist die Klage nicht schon deshalb, weil CDU und FDP mit einer Minderheit der Stimmen am Ende eine Mehrheit der Landtagssitze erhalten. Solche Verzerrungen des Wählerwillens kann es in einem komplizierten Wahlrecht aus vielen Gründen geben, zum Beispiel weil Parteien unter der 5-Prozent-Hürde bleiben oder weil die Wahlkreise nie exakt gleich groß sind. Derartige Verzerrungen sind teilweise unvermeidbar, teilweise durch ihren Zweck gerechtfertigt.
Christian Rath ist rechtspolitischer Korrespondent der taz.
Entscheidend ist vielmehr, dass in Schleswig-Holstein eine Verzerrung des Wählerwillens durch Überhangmandate ausdrücklich in der Landesverfassung ausgeschlossen wurde. Diese bestimmt (anders als das Grundgesetz!), dass Überhangmandate auszugleichen sind. Das schleswig-holsteinische Wahlgesetz, das diesen Ausgleich nur unvollständig ermöglicht, ist deshalb verfassungswidrig. Nur ein vollständiger Ausgleich ist ein verfassungskonformer Ausgleich. Ziel der Vorgabe ist ja nicht, dass die Wählermehrheit zum Trost für die Oppositionsrolle noch ein paar Abgeordnete mehr bekommt. Ziel der Bestimmung ist eindeutig, dass die Überhangmandate gar nicht erst aus einer Minderheit eine Mehrheit machen können.
Grüne und SSW sind keine schlechten Verlierer, wenn sie nun das Landesverfassungsgericht um Hilfe bitten. Sie haben vor der Wahl mehrfach beantragt, das Wahlgesetz der Verfassung anzupassen - aber CDU und SPD haben blockiert. Nachdem jetzt der Fall eingetreten ist, den die Verfassung gerade verhindern wollte, ist es geradezu Demokraten-Pflicht, die zuständigen Richter zu mobilisieren.
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