Kommentar Jobcenter: Alles, nur kein Meisterstück

Die Grundgesetzänderung ist kein Musterbeispiel staatstragender Verantwortung, wie jetzt alle Beteiligten suggerieren. Parteiinteressen schimmern deutlich durch.

Es ist eine gute Nachricht für die knapp 7 Millionen Menschen, die in Deutschland auf Hartz IV angewiesen sind: Union, FDP und SPD haben sich in einer großen Koalition darauf verständigt, das Grundgesetz zu ändern. Ihr Ziel ist, die Jobcenter in ihrer jetzigen Form beizubehalten. Das ist erfreulich - aber nicht etwa deshalb, weil die Jobcenter perfekt arbeiten würden. Die jährliche Klageflut gegen Hartz IV vor deutschen Sozialgerichten belegt eindrucksvoll, dass diese schematisierte Sicherung individuellen Notlagen oft Hohn spricht.

Man muss es andersherum sehen: Der Kompromiss ändert nichts an den großen Ungerechtigkeiten von Hartz IV, aber er verhindert Schlimmeres. Denn die Alternative hätte noch mehr Chaos bedeutet. Die jetzt geplante Grundgesetzänderung stellt immerhin sicher, dass die Betroffenen Leistungen bei den sogenannten Argen auch in Zukunft aus einer Hand erhalten. Wenn die Regierung aber die Zuständigkeiten auf Kommunen und Jobcenter verteilt hätte, wäre der Behördenwirrwarr verdoppelt worden - zwei Ansprechpartner, zwei Formulare, zwei Wege für jeden Arbeitslosen.

Allerdings ist die Grundgesetzänderung auch kein Musterbeispiel staatstragender Verantwortung, wie jetzt alle Beteiligten suggerieren. Parteiinteressen schimmern deutlich durch. So werden zum Beispiel die Optionskommunen ausgeweitet, die eigenverantwortlich Arbeitslose betreuen dürfen. Damit verbinden die FDP und Hessens Ministerpräsident Roland Koch die Hoffnung, die Arbeitsagentur zu schwächen, die sie für ein Bürokratiemonstrum halten.

Dieser Weg - Arbeitslose regional und weniger zentralisiert zu betreuen - ist wenig erforscht, und er birgt Chancen und Risiken. So brachten die Kommunen weniger Arbeitslose in Jobs, hatten jedoch eher einen ganzheitlichen Blick auf die Menschen mit ihren sozialen Problemen. Sicher ist: Als Experimentierfeld taugt die Arbeitsmarktpolitik nicht, denn es geht um Existenzen.

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Ulrich Schulte, Jahrgang 1974, schrieb für die taz bis 2021 über Bundespolitik und Parteien. Er beschäftigte sich vor allem mit der SPD und den Grünen. Schulte arbeitete seit 2003 für die taz. Bevor er 2011 ins Parlamentsbüro wechselte, war er drei Jahre lang Chef des Inlands-Ressorts.

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