Kommentar Israel: Von rechts nach ultrarechts
Die Neuwahlen dürften zu einem monatelangen Stillstand in Israel führen - und werden wohl dem Ultrarechten Netanjahu einen sicheren Wahlsieg bescheren.
Susanne Knaul ist Israel-Korrespondentin der taz.
Die Tatsache, dass es in Israel nicht gelang, eine Regierungskoalition zu bilden, wirft ein grelles Licht auf die Machtverhältnisse und zeichnet eine noch unerfreulichere Zukunftsperspektive: In den nächsten fünf Monaten ist Stillstand zu erwarten, und wenn es schließlich eine neue Regierung gibt, dann dürfte diese nach allen Vorzeichen irgendwo zwischen nationalreligiös bis ultrarechts anzusiedeln sein.
Die Umfragen prognostizieren dem ultrarechten Benjamin Netanjahu einen sicheren Wahlsieg. Und zwar nicht, weil die Mehrheit der Israelis ihn so sehr lieben würde, sondern deshalb, weil die aktuelle Mitte-rechts-Regierung weder über ein klares Ziel noch einen Weg verfügt. Auf der Agenda in Jerusalem stehen die iranische Atombedrohung, direkte Friedensgespräche mit Syrien sowie zweimal Palästina - der Gazastreifen und das Westjordanland. Die beiden bisherigen Regierungsparteien Kadima und die Arbeitspartei verfolgen bei all diesen Themen eine diffuse, manchmal sogar widersprüchliche Politik.
Bei Netanjahu weiß der Wähler wenigstens, woran er ist. Er kann sich gemütlich im Sessel zurücklehnen, während der neue israelische Chef versucht, die Hamas im Gazastreifen zu entmachten, Frieden zu seinen Konditionen mit Syrien zu schließen und gleichzeitig das iranische Atomprogramm zu zerstören. Netanjahu wird das schon schaffen, kann sich der geneigte Wähler einbilden, schließlich hat er eifrige Helfer, wie den ultrarechten Avigdor Lieberman, der auch gern lieber einmal mehr draufhaut als zu wenig.
Auch die nationalreligiöse Schas-Partei wird keine Mühe haben, zu Netanjahu zu wechseln. Denn die Schas ist links-rechts-kompatibel. Die Männer in den dunklen Anzügen hatten nur damit Probleme, dass die jetzige Regierung künftig von einer Frau geführt werden sollte. Wäre ein Schimon Peres mit demselben Angebot gekommen, hätte die Schas zugestimmt, gab einer der frommen Orientalen zu. Die Rechnung ist einfach: Ohne Schas keine Regierung, aber mit einer Frau an der Regierung keine Schas.
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