Kommentar Irakkrieg: Browns falsches Kalkül
Brown lag mit seiner Berechnung, dass vor allem Blair Schaden durch den Untersuchungsausschuss zum Entscheidungsprozess des Irakkriegs erleiden würde, gründlich schief.
Als Gordon Brown vor zweieinhalb Jahren das Amt des britischen Premierministers von Tony Blair übernahm, war er bemüht, sich so weit wie möglich von seinem Vorgänger abzusetzen. So versprach er einen Untersuchungsausschuss, in dem der Entscheidungsprozess beleuchtet werden sollte, der zur britischen Beteiligung am Irakkrieg führte. Dieser Krieg war schließlich Blairs Geschichte, nicht die der jetzigen Regierung, kalkulierte Brown.
Welch Irrtum. Die von John Chilcot geleitete Untersuchung wächst sich zu einer neuerlichen Katastrophe für Labour aus. Dabei hatte niemand diese Untersuchung ernsthaft verlangt. Die meisten Fakten waren ohnehin längst bekannt, zum Beispiel das unsägliche, manipulierte Irak-Dossier, das die Begründung für die Invasion lieferte. Nun werden alle wieder daran erinnert, wie die Regierung damals das Parlament und die Bevölkerung hinters Licht geführt hat.
Brown lag mit seiner Berechnung, dass vor allem Blair Schaden erleiden würde, gründlich schief. Dem Expremier konnte es auch egal sein: sein Ruf ist ohnehin ruiniert, was seinen Einnahmen auf dem lukrativen Vortragsparcours keineswegs abträglich ist. Zudem waren Brown und eine Reihe seiner Minister an allen Entscheidungen eng beteiligt. Sie kann man dafür bestrafen, und zwar schon bald. Browns Bereitwilligkeit, vor dem Untersuchungsausschuss noch vor den Parlamentswahlen, die bis 3. Juni stattfinden müssen, auszusagen, ist leichtfertig. Der Irakkrieg ist wieder Wahlkampfthema.
Das kann nur den Tories nützen. Sicher, auch sie wären in den Krieg gezogen, wenn sie an der Macht gewesen wären. Schließlich waren mehr Labour-Abgeordnete als Tories gegen den Krieg, und Tory-Chef David Cameron hat dafür gestimmt. Aber es war eben nicht sein Krieg.
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