Liebe KritikerInnen,
vielen Dank für die lebhafte Diskussion.
Ich will hier mal auf die häufigsten Vorwürfe eingehen:
@ Martin Schröder:
"Christian, Du hast nichts verstanden. Das BKA soll nicht selbst
löschen, sondern die Provider über die illegalen Inhalte informieren.
Die werden daraufhin nach Sichtung der Inhalte in den meisten Fällen
diese Inhalte löschen."
Lieber Martin, ich habe es durchaus verstanden. Folgendes schrieb ich in
der taz am gleichen Tag nur in einem anderen Text (auf taz.de war er
aber direkt verlinkt):
"Die Kritiker der Sperren fordern deshalb vehement, die Sperrpläne
aufzugegeben. Stattdessen solle das Bundeskriminalamt direkt die
ausländischen Provider informieren, auf deren Servern Kinderporno-Seiten
lagern. Diese Provider würden dann sofort und freiwillig die Seiten
löschen, um sich nicht selbst strafbar zu machen, so die Idee der
Kritiker."
In meiner taz-Berichterstattung zum Thema steht also genau das, was
manche im Kommentar vermisst haben.
@ Sebastian Vollnhals
"Ich empfehle Ihnen, sich die Replik Felix von Leitners auf Ihren
Kommentar zu Gemüte zu führen, bevor Sie sich weiterhin mit Ihrem
völligen Unwissen zur Witzfigur des Internets machen."
Auch FeFe (Felix von Leitner) hat den Artikel zum Kommentar nicht
gelesen, wie er inzwischen in einem update auf seinem Blog eingeräumt
hat.
@ loonynight
"Für diese Vorgehen bedarf es aber keiner neuen Infrastruktur beim
BKA."
Es gibt eine Studie der Uni Cambridge, die gerne zitiert wird, um zu
belegen, wie effizient das Löschen von illegalen Inhalten direkt bei den
Providern ist. Sie besagt: Wenn Banken sich gegen Phishing-Betrugsseiten
wehren, werden diese von den informierten Providern im Schnitt nach vier
Stunden vom Netz genommen. Der Grund dafür ist, dass die Banken und ihre
Rechtsanwälte ein hohes Engagement an den Tag legen, die Provider
richtig nerven und nicht nur eine email schreiben. Im Gegenzug dazu
dauere es im Schnitt drei Wochen, bis Provider eine Kinderporno-Seite
vom Netz nehmen, so die Cambridge-Studie, weil die englische Internet
Watch Foundation eben nicht so viel Engagement entwickelt und sich nicht
die Mühe macht, den jeweiligen Provider herauszufinden. Beim BKA müssten
also Stellen eingerichtet werden, die zu löschende Sites auffinden, die
Provider herausfinden, die Provider anschreiben, sie ggf. mahnen und das
alles dokumentieren, falls es mal zum Rechtsstreit kommt. Für
Internet-Profis mag das alles ein Klacks sein, für eine Behörde ist das
ein großer Schritt. Ich finde, man kann das Infrastruktur nennen. Wenn
täglich Listen an die deutschen Provider gesandt werden, damit diese
entsprechende KiPo-Seiten sperren, spricht man jedenfalls auch vom
Aufbau einer "Infrastruktur". Und eine
Lösch-Informations-Mahn-Infrastruktur für Kinderpornographie kann mE
genauso schnell auf andere illegale Inhalte übertragen werden, wie eine
Sperr-Infrastruktur.
@ Kai
"Sie übersehen an dieser Stelle, dass einem Betroffenen bei einer
Löschung immer noch der Klageweg offensteht. Bei einer Sperrung, von der
der Gesperrte nichts erfährt, und einer Liste, die geheim ist, ist eben
der Rechtsweg verschlossen."
Das kann man auch anders sehen. Bei einer Sperre handelt das BKA
hoheitlich in Deutschland. Dagegen kann der Betroffene das
Verwaltungsgericht anrufen. Zwar ist die Sperrliste insgesamt geheim.
Aber wer die Seite aufrufen will, bekommt ja die Stoppseite mit
Rechtsbehelf zu sehen. So wird auch der Content-Betreiber der gesperrten
Seite schnell von der Sperre erfahren und kann sich beschweren oder
klagen, falls ein legales Angebot gesperrt wurde.
Bei einer Löschung dagegen ist die Seite einfach verschwunden. Ohne
Begründung. Der Betroffene muss also erst einmal herausfinden, was
passiert ist. Klagen kann er dann gegen seinen Provider, der ihn
gelöscht hat. Das kann Vorteile haben, weil der Prozess in seinem
Heimatland stattfindet. Wenn es dort aber kein ordentliches
Gerichtsystem gibt, wäre ein Prozess gegen das BKA in Deutschland
vielleicht erfolgversprechender.
Ich will mit alledem nicht die Sperr-Pläne verteidigen. Ich weise nur
darauf hin, dass die Alternative, das BKA zur
Lösch-Informations-Zentrale auszubauen, auch nicht unproblematisch ist.
Und ich staune nach wie vor, warum man auf der einen Seite vor "Zensur"
warnt und auf der anderen Seite kaum Bedenken hat.
Hauptargument gegen die Sperren sollte doch immer noch sein, dass sie
überflüssig sind, weil Kinderpornographie im Internet kaum frei
verfügbar ist. Die Tausende Einträge auf ausländischen Sperrlisten
betreffen überwiegend Jugendpornographie, also Darstellungen mit
Jugendlichen über 14 Jahren (oder Erwachsenen, die auf jugendlich
gestylt werden). Die sind zwar überwiegend auch illegal, aber lange
nicht so großes Unrecht wie Kinderpornograpie. Deshalb will sich sogar
von der Leyen auf Kinderpornographie beschränken. Deshalb halte ich die
Regierungspläne schlichtweg für ein unnötiges Wahlkampf-Manöver.
viele Grüße
Christian Rath
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