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Kommentar Hinrichtung in TexasGewolltes Rechtsversagen

Bernd Pickert
Kommentar von Bernd Pickert

In Texas ist ein Mann mit geistiger Behinderung hingerichtet worden. Ein funktionierendes Rechtssystem hätte das verhindern müssen.

I m Zweifel gegen den Angeklagten. So lässt sich das Verfahren beschreiben, das am Dienstagabend mit der Hinrichtung des 53-jährigen Marvin Wilson in Huntsville, Texas seinen tödlichen Abschluss fand. Der Rechtsweg wurde komplett ausgenutzt, und doch entschied jede einzelne Instanz zuungunsten Wilsons, obwohl bei der Faktenlage eigentlich das Gegenteil zu erwarten gewesen wäre.

Dass Wilson mit einem klar unterdurchschnittlichen IQ von 61 mit ziemlicher Sicherheit als geistig zurückgeblieben einzustufen ist, ist dabei nur eine Facette, wenngleich jene, die dem Fall landesweite Aufmerksamkeit sicherte. Auch die Beweislage ist dünn: Die entscheidende Aussage kommt von der Ehefrau des Mitangeklagten, die damit ihrem Mann das Leben rettete. Deshalb muss sie nicht falsch sein, aber eben doch: zweifelhaft. Andere Beweise dafür, dass Wilson seinerzeit wirklich derjenige war, der abgedrückt hat, gibt es nicht.

In der Summe aller Gegebenheiten blieben so viele Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Hinrichtung, dass ein funktionierendes Justizsystem die Todesspritze für Wilson hätte verhindern müssen. Das ist nicht geschehen, und dieses Versagen ist nur mit dem politischen Umfeld zu erklären. Namentlich der texanische Gouverneur Rick Perry, einst aussichtsreicher, dann an der eigenen Blödheit gescheiterter Anwärter auf die republikanische Präsidentschaftskandidatur, ist stolz auf die Hinrichtungsrekorde in seinem Bundesstaat.

Bild: taz
BERND PICKERT

ist Redakteur im Auslandsressort der taz und zuständig für die Amerika-Berichterstattung.

Nicht zuletzt er ist dafür verantwortlich, dass Todeskandidaten in Texas so geringe Überlebenschancen haben. Perry selbst verhinderte per Veto ein überparteiliches Gesetz zum Schutz geistig Behinderter vor Hinrichtung. Auch um solchen Leuten die Macht über Leben und Tod zu nehmen, gibt es nur eine Lösung: Die Todesstrafe muss endlich verschwinden.

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Bernd Pickert
Auslandsredakteur
Jahrgang 1965, seit 1994 in der taz-Auslandsredaktion. Spezialgebiete USA, Lateinamerika, Menschenrechte. 2000 bis 2012 Mitglied im Vorstand der taz-Genossenschaft, seit Juli 2023 im Moderationsteam des taz-Podcasts Bundestalk. Bluesky: @berndpickert.bsky.social In seiner Freizeit aktiv bei www.geschichte-hat-zukunft.org
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10 Kommentare

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  • T
    Texas

    Unabhängig von der Frage ob die Todesstrafe angebracht ist oder nicht:

     

    Warum dürfe eine Genie eher die Giftstpritze ereilen als einen erklärten debilen Mörder? Ist es denn gerecht, wenn der Nobelpreisträger sein Leben nur deshalb aushaucht, weil dessen Hirn zu Höchstleistungen fähig ist? Merkwürdige Moralvorstellung.

     

    Was nun die Todesstrafe betrifft erlaube ich mir die Frage, warum zwar ständig die USA aber niemals die Hochburg der umgesetzten Todesurteile (China) am Pranger steht. Auf dem linken Auge blind, werte Linken? Oder steht ein Handelsboykott für China auf dem Plan?

  • V
    viccy

    Die Todesstrafe gehört weltweit abgeschafft.

     

    Ein Staat, der Töten mit Töten bestraft - paradox.

     

    Und Fehlurteile sind nie mehr korrigierbar. Und es gab genug Fälle (DNS-Tests), wo man hinterher gemerkt hat: Ups, der wars ja gar nicht. So ein Pech.

  • MS
    Matthias Stenzel

    Ich bin schockiert. Lektüre-Empfehlung: Büchners Woyzeck und Hofmannsthal Gedicht Manche freilich. Urlaubswarnung: USA wegen anhaltender Doppelmoral.

     

    links rechts

  • T
    tommy

    @tobias:

     

    Ich kenne den Fall nicht, kann aber gut sein, dass das wirklich sehr fragwürdig ist, zumal es ja durchaus Hinweise darauf gibt, dass in Texas auch schon Unschuldige hingerichtet wurden (etwa der Fall Willingham, siehe hier: http://www.newyorker.com/reporting/2009/09/07/090907fa_fact_grann ).

    Todesstrafe ist ein schwieriges Thema - ich lehne sie offen gesagt nicht grundsätzlich ab, da ich manche Verbrechen so verabscheuungswürdig finde, dass der Täter den Tod verdient; ich sehe aber natürlich, dass es viele gewichtige Gegenargumente gibt (das Risiko einen Unschuldigen hinzurichten; sollte ein Rechtswesen überhaupt eine solche Entscheidung treffen dürfen etc.).

    Die Berichterstattung von Todesstrafengegnern ist mir aber oft zu undifferenziert - nur immer wieder sagen "Todesstrafe ist barbarisch" reicht auch nicht.

  • T
    tobias

    @tommy "Und auch wer dumm ist, sollte doch eigentlich wissen, dass Morden moralisch falsch sowie nicht erlaubt ist"

     

    Leider eben nicht. Wer dumm genug ist, ist nicht in der Lage komplexe gesellschaftliche Zusammenhänge wie Normen und Werte zu begreifen. Er agiert, andere schimpfen deswegen, warum die aber schimpfen erschließt sich jemandem mit einem IQ von 60 nicht zwangsläufig.

     

    Abgesehen davon, gibt es keine Beweise für die direkte Täterschaft von Wilson. Die Ehefrau des anderen Tatbeteiligten hat ausgesagt, dass Wilson ihr gegenüber den Schuss eingeräumt hat. Durch diese Aussage wurde ihr man vor dem Todesurteil gerettet... Is nicht wirklich wasserdicht.

  • B
    Bernhard

    Die USA sind eben das Land der unbegrentzten Möglichkeiten.

    Kinder und Jugendliche werden zu lebenslanger Haft verurteilt.

    Geisig Behinderte werden staatlich umgebracht.

    Zwischendurch werden Menschen gefoltert.

    Und jeder darf so ziemlich jeden erschießen.

    Präsidenten beginnen einen Angriffskrieg usw. usw.

     

    Diese Liste könnte man noch weiter fortsetzen. Sicher gibt es auch US- Bürger die das alles nicht wollen. Leider sind sie wohl in der Minderheit.

  • N
    neubau

    Überhaupt auch nur im Ansatz darüber zu debattieren, ob Wilson geistig behindert war oder nicht, geht am Kern der Sache völlig vorbei. Ein Staat bringt hier Menschen um, das ist immer falsch. Ob sie nun Täter waren oder Unschuldige, ist dabei völlig egal.

     

    Geistige Verwirrung wie im Fall des Kommentars von "Helga" findet man dagegen allerorten. "Gegrillt" hat man Wilson nicht, er starb an einer Vergiftung durch die Todesspritze. Freude über den Tod eines Menschen ist generell eine widerwärtige Reaktion.

     

    Die Todesstrafe ist abgeschafft, sollte abgeschafft bleiben und weltweit abgeschafft werden - solange auch nur die geringste Chance besteht, dass Unschuldige getötet werden könnten, machen sich Staaten zu Mördern und in allen anderen Fällen wird hier die Blutrache verstaatlicht, was mindestens genau so verwerflich ist.

  • T
    tommy

    Aber ist ein niedriger IQ denn unbedingt mit geistiger Behinderung gleichzusetzen? Und sind IQ-Tests überhaupt zuverlässig? Bei der Sarrazin-Debatte wurde das doch gerade von linker Seite teilweise in Zweifel gezogen.

    Und auch wer dumm ist, sollte doch eigentlich wissen, dass Morden moralisch falsch sowie nicht erlaubt ist und in Texas oftmals mit der Todesstrafe geahndet wird.

  • Y
    Yannick

    Ah, die taz ist ultra-rechts. Hättest du das direkt geschrieben, hätte ich nicht deinen ganzen Kommentar lesen müssen.

  • H
    Helga

    Ich bin sehr froh, dass man den feigen Mörder in den USA gegrillt hat - wie man sieht, funktioniert dort das Rechtssystem und basiert auf gesetzlichen Normen. In Deutschland werden Opfer verhöhnt und Täter von ultra-rechten Zeitungen wie der taz zu Helden stilisiert.

     

    Solange Artikel 102 GG nicht abgeschafft ist, sollte man Deutschland nicht als Rechtsstaat bezeichnen.