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Kommentar HilfsgelderSichtbare und unsichtbare Opfer

Dominic Johnson
Kommentar von Dominic Johnson

Die deutsche Entwicklungspolitik funktioniert unter Schwarz-Gelb nach dem Prinzip: private Mildtätigkeit ersetzt staatliche Nachhaltigkeit. Das ist effektheischend.

N iemand soll behaupten, in der Bundesregierung wisse die rechte Hand nicht, was die linke tut. Beim Einsatz Deutschlands für Notleidende in aller Welt herrscht eine klare Arbeitsteilung. Während Bundesentwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) im Fernsehen die Deutschen dazu aufruft, für Pakistans Flutopfer zu spenden, kürzt das Auswärtige Amt (FDP) den Etat für humanitäre Hilfe.

Nein, das ist kein Widerspruch, diese Maßnahmen folgen dem Prinzip: Private Mildtätigkeit ersetzt staatliche Nachhaltigkeit. Humanitäre Hilfe für Opfer von Kriegen und Katastrophen verwandelt sich von einer staatlichen Verpflichtung zum ehrenamtlichen Engagement.

Die Folge davon ist eine Verschiebung humanitärer Hilfe hin zu kurzfristigen und effektheischenden Brennpunkten. Der Bundesetat für humanitäre Hilfe, kurioserweise angesiedelt im Auswärtigen Amt, fließt in verdrängte Dauerkatastrophen: Afghanistan, Palästina, Somalia, Irak, Sudan, die Demokratische Republik Kongo. Es geht um Flüchtlinge, Seuchenopfer, Hungernde. Privatleute verstehen davon nichts, also macht das der deutsche Staat. Pakistans Flut ist demgegenüber ein Medienthema, wie zuletzt Haiti. Das Volk ist aufgerüttelt, und da soll es mit seinem eigenen Geld helfen.

Bild: taz

Dominic Johnson ist Afrika-Redakteur im taz-Auslandsressort.

So werden jetzt jenen die Zuschüsse am meisten gekürzt, die man am wenigsten sieht. Doch sind Flutopfer in Pakistan und Erdbebenopfer in Haiti verdientere Empfänger von Hilfsgeldern als Flüchtlinge im Irak oder Vergewaltigungsopfer im Kongo? Sind Bewohner von Bürgerkriegsgebieten vielleicht mitverantwortlich für ihre Lebensumstände in einer Weise, wie man es für Opfer von Naturkatatastrophen ausschließen kann? Solche perfiden Überlegungen legen die Haushaltsentscheidungen der Regierung nahe. Sollen doch die Deutschen freiwillig für Somalis, Sudanesen und andere Opfer spätrömischer Dekadenz spenden. Falls sie nach der Hilfe für Pakistan noch etwas übrig haben.

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Dominic Johnson
Ressortleiter Ausland
Seit 2011 Co-Leiter des taz-Auslandsressorts und seit 1990 Afrikaredakteur der taz.
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2 Kommentare

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  • M
    Mac-Lennox

    Ich hörte davon, dass von 100 Euro rund 10 bis 15 Euro in den Verwaltungsapparat fließen sollten, um noch von einer seriösen Wohltätigkeitsorganisation sprechen zu können. Schließlich wollen die Mitarbeiter auch etwas essen. Fällt dieser Betrag deutlich höher aus, stecken sich einige Leute die Taschen voll.

  • W
    Wolfgang

    Bei dem Wort Spenden werde ich immer nervös. Millionen

    werden gespendet und sie gehen unergründliche Wege.

    Als damals Helmut Kohl großzügig vor den Kameras einen Einhundert-DM-Schein in die Sammelbüchse steckte und sich am nächsten Tag die hundert Mark sich aus der Staatskasse wiedergeben ließ, zweifle ich an Spenden.

    Kann mich einer aufklären?