Kommentar Hilfen für Griechenland: Menetekel für Deutschland
Jetzt erweist sich, was damals schon absehbar war: Wenn es hart auf hart kommt, gibt es innerhalb der Eurozone schon jetzt nur noch Innenpolitik.
Ralph Bollmann ist Leiter des taz-Parlamentsbüros in Berlin.
Was geschieht, wenn in Deutschland ein Bundesland pleitegeht? Meist helfen der Bund und die anderen Länder schon vorher aus - mal freiwillig, mal von Bundesratsmehrheiten oder vom Bundesverfassungsgericht erzwungen. Bremen und das Saarland etwa könnten ihre Schulden längst nicht mehr aus eigener Kraft zurückzahlen. Auch überschuldete Kommunen können nicht pleitegehen. Im Extremfall werden sie vom Land unter Zwangsaufsicht gestellt. Zuletzt erhielt die brandenburgische Ortschaft Heckelberg-Brunow einen Überbrückungskredit von 17,5 Millionen Euro aus der Landeskasse, mit strengen Auflagen.
Was aber, wenn Heckelberg-Brunow plötzlich 11 Millionen Einwohner hat und nicht in Ostdeutschland liegt, sondern am Mittelmeer? Nun, es geschieht genau das Gleiche. Auch den Griechen hilft die EU, gleichfalls nicht ganz freiwillig. Zur Erinnerung: Bei der europäischen Integration ging man einst mit der Währung voran, weil man sich auf eine politische Union nicht einigen konnte. Jetzt erweist sich, was damals schon absehbar war: Wenn es hart auf hart kommt, gibt es innerhalb der Eurozone schon jetzt nur noch Innenpolitik.
Am griechischen Beispiel zeigt sich aber auch, was Gegner der Haushaltskonsolidierung hierzulande immer bestreiten: Schulden sind im Kern unsozial. Denn ist die Überschuldung erst einmal da, gibt es keine politischen Prioritäten mehr. Gespart wird dort, wo es am schnellsten zu realisieren ist. Im Fall Griechenlands etwa bei Rentnern oder Beamten.
So gesehen, ist Griechenland auch ein Menetekel für Deutschland. Was geschieht mit der hiesigen Staatsschuld, wenn die Zinsen wieder steigen, die FDP die Steuern senkt und die Konsenskanzlerin nicht sparen will? Es werden nicht die Reichen sein, die es am Ende ausbaden müssen.
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