Kommentar Grüne und Atomausstieg: Nörgelei hilft nicht weiter
Die Grünen müssen bald entscheiden, ob ihnen die Schärfung ihres Profils wichtiger ist als die Chance, einen historischen Konsens zu zementieren.
S ollen die Grünen dem Atomausstiegsplan der Regierung zustimmen? Wie quälend diese Überlegung für die Partei ist, die sich auch wegen des Kampfes gegen Atomkraft gegründet hat, zeigt das Lavieren ihrer Spitzenleute. Die Erklärungen, warum eine Zustimmung unmöglich sei, wurden in den vergangenen Tagen gewundener und waren immer weniger nachzuvollziehen, je weiter die Regierung auf die Opposition zuging. Jetzt haben die Gremien der Parteibasis die Entscheidung überlassen.
Natürlich gibt es keinerlei Pflicht der Opposition, selbst die bedeutendsten Reformen mitzutragen. Vielleicht muss man die Frage dennoch einmal andersherum stellen: Warum eigentlich nicht?
Schwarz-Gelb hat den Ländern und der Opposition gewaltige Zugeständnisse gemacht und über den Ethikrat viele, auch dezidiert AKW-kritische Gruppen eingebunden. Das vorgelegte Konzept erinnert nach Korrekturen in wichtigen Punkten an den Kompromiss, den die rot-grüne Regierung im Jahr 2000 gefunden hatte. Treibend waren damals die Grünen. Jetzt läuft die Partei Gefahr, in die Rolle des kleinkrämerischen Nörglers zu rutschen, der einen gangbaren Kompromiss zu Unrecht als inakzeptabel abstempelt. Auch wenn weiterhin Kritik am schwarz-gelben Konzept mehr als berechtigt und nötig ist: Bald müssen die Grünen entscheiden, ob ihnen die Schärfung ihres Profils wichtiger ist als die Chance, einen historischen Konsens zu zementieren.
Ulrich Schulte ist Leiter des Berliner Parlamentsbüros der taz.
Für Letzteres spricht viel aus Sicht der Partei. Der Atomausstieg ist mit diesem breit angelegten Kompromiss abgeräumt, die Bundestagswahl 2013 wird mit neuen Themen gewonnen. Und dass die Grünen den Atomausstieg erfunden haben, werden die Wähler sowieso nicht vergessen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern