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Kommentar Großdemo gegen AgrarindustrieDer Anfang ist gemacht

Jost Maurin
Kommentar von Jost Maurin

Die Demonstration gegen die Agrarindustrie in Berlin war ein Erfolg – jetzt muss daraus eine stabile Massenbewegung werden.

Z ehntausende Hühner in dunklen Ställen, machthungrige Gentechnik-Unternehmen und Lebensmittelexporte zu Dumpingpreisen, die die Bauern in Entwicklungsländern ruinieren - in der europäischen Agrar- und Ernährungspolitik gibt es genug, wogegen man demonstrieren sollte. Dass dies nun gleich 20.000 Menschen in Berlin getan haben, ist ein erster, großer Erfolg - aber bis daraus eine stabile Massenbewegung wird, bleibt noch viel zu tun.

Immerhin stellt die Teilnehmerzahl der Demonstration am Samstag alle bisherigen Agrar-Veranstaltungen der Ökoszene in den Schatten. Deshalb schreckte die "Wir haben es satt"-Demo zum Beispiel den von konventionellen Betrieben dominierten Bauernverband und das CSU-geführte Agrarministerium auf. Sie können den Protest nicht mehr einfach nur ignorieren.

Aber 20.000 Teilnehmer sind keine 100.000, die etwa im vergangenen September gegen Atomkraft auf die Straße gegangen sind. Zudem wird es schwierig sein, bei der nächsten Demonstration so viele Menschen wie dieses Mal zu mobilisieren, wenn gerade kein Dioxinskandal tobt.

Schließlich ist die große Mehrheit der Bevölkerung immer noch nicht bereit, sich für eine ökologische Wende in der Agrarpolitik einzusetzen. Zwar kaufen derzeit wegen der Dioxinfunde in konventionellen Produkten mehr Menschen biologisch erzeugte Lebensmittel. Aber der Marktanteil von zuletzt rund 3 Prozent wird minimal bleiben. Und in einer aktuellen Umfrage forderten trotz des aktuellen Skandals nur 21 Prozent der Befragten, die Nahrungsmittelproduktion möglichst weit auf Bio umzustellen.

Der Autor

JOST MAURIN ist Redakteur im Umwelt- und Wirtschafts-Ressort der taz.

Ziel der Aktivisten muss es sein, noch mehr Menschen zu überzeugen. Sowohl der Andrang bei der Demonstration als auch das derzeitige Nachfrageplus für biologisch erzeugte Produkte zeigen, dass sie eine Chance haben - aber dieser Kampf wird noch lange dauern.

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Jost Maurin
Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
Jahrgang 1974. Er schreibt vor allem zu Ernährungsfragen – etwa über Agrarpolitik, Gentechnik, Pestizide, Verbraucherschutz und die Lebensmittelindustrie. 2022 nominiert für den Deutschen Reporter:innen-Preis 2022 in der Kategorie Essay, 2018, 2017 und 2014 Journalistenpreis "Grüne Reportage". 2015 "Bester Zweiter" beim Deutschen Journalistenpreis. 2013 nominiert für den "Langen Atem". Bevor er zur taz kam, war er Redakteur bei der Nachrichtenagentur Reuters und Volontär bei der Süddeutschen Zeitung.
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5 Kommentare

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  • ....

    ich sehs auch als eine ziemlich verkürzte kritik an.

    nur durch bio wird der hunger garantiert nicht abgeschafft werden und auch die natur nicht unbedingt "gerettet".

    hierbei wärs auch ganz interessant zu lesen, was für ein "bio" denn gemeint ist- die eu-verordnuung dazu liegt ja nocht allzu lang zurück.

  • K
    Klugscheißerin

    Ich bin nicht hingekommen - Sparpreise waren lange und längst ausverkauft, MFG über Demoseite war zu langsam.

    Konsequent - ohne militant zu sein - wären regionale Demos mit den regionalen Erzeugern zusammen. Addiert auf die Wochenenden würde sicher auch eine erkleckliche Zahl zusammenkommen. Zudem hätten die Bauern die Möglichkeit, Direktvermarktung zu forcieren und es könnte jedoch Woche "was los sein".

    Außerdem kann dann auch während des Wahlkampfes Öffentlichkeit herstellt werden. Vom Kleinen zum Großen...

  • K
    Kara

    Ziel der Aktivisten sollte sein, die wichtigen Informationen an einem Ort zu bündeln, z.B. auf einer Internetseite. Ich hätte gern an der Demo teilgenommen, aber leider nichts davon erfahren.

    Die Internetseite könnte gleichzeitig alle neuen Erkenntnisse veröffentlichen, Infos darüber liefern, wie die Politik unter Druck gesetzt wird, welche der Parteien sich nun mal anfängt zu bewegen.

    Eine artgerechte Haltung muss für jeden Nutztierhalter verbindlich werden. Im- und Export von Fleisch sollte extrem eingeschränkt werden.

    Nur wenn gleiche Bedingungen für alle existieren, hat der Preiskampf keine Chance mehr.

  • GF
    Gerda Fürch

    Ich war gestern die 5.601ste Demo-Teilnehmerin. Das kam so. Ich radelte hin und fragte spontan zwei Polizisten in einem Polizeifahrzeug. Die saßen dort entspannt in ihrem Fahrzeug und machten auf so einer "Klatte"/"Tabelle" Notizen. "Wieviel Teilnehmer haben Sie denn gezählt?", fragte ich die beiden. Gegenfrage: "Welche Teilnehmer?". Der Kollege stupste ihn in die Seite und sagte: "Mensch, die meint die Demo!". - "5.600 Teilnehmer!" - "Nicht etwa 5.601 Teilnehmer?" Schließlich war ich gerade angekommen, wenn schon denn schon, als 5.601ste Teilnehmerin. Geschenkt!

     

    Dann verfolgte ich die Reden vor dem Brandenburger Tor. Es wurde begeistert verkündet, daß über 22.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer dem Demo-Aufruf gefolgt seien. Aha!

     

    Zu Hause sah ich mir die Übertragung "RBB aktuell" am späten Abend an und erfuhr, daß die Veranstalter eine Demo-Teilnehmerzahl von mindestens ca. 5000 angemeldet hatten. Dann seien daraus erfreulicherweise über 22.000 geworden. Die Polizei blieb jedoch bei ihrer Aussage: "mehrere Tausend" und eben nicht "Zweiundzwanzigtausend".

     

    So erklärt sich möglicherweise stets die gravierenden Unterschiede zwischen Polizei und Veranstalter beim Zählen der Menschenmassen von Demos oder Kundgebungen. Die Polizei bleibt bei der angemeldeten Zahl und zählt nicht noch einmal nach, wieviel tatsächlich teilgenommen haben.

     

    Bei Barack Obama an der Siegessäule wurde offiziell mit mindestens 200.000 Teilnehmern gerechnet, außerdem kreisten wachsame Hubschrauber über dem Gelände. So kam wahrscheinlich sogar die Zahl von über 300.000 (?) zustande.

  • S
    Slobo

    Selbst wenn sich die Politiker bewegen und für eine ökologisch/biologisch vertretbare Landwirtschaft sorgen bleibt das Problem: Durch das im Kapitalismus verankerte Prinzip der Gewinnmaximierung wird es ebenso Sauereien wie den Dioxin-Skandal oder Gammelfleisch geben - nur unter anderer Flagge. Wenn man dem Kapitalismus keine Grenzen setzt, wird es immer solche Probleme geben, das kann ich garantieren.