Kommentar Griechenland: Ein letztes Aufgebot in Athen
Die neue Regierung muss die eigene Partei überzeugen, die Troika beeindrucken und die "Empörten" auf der Straße zum Zuhören bringen. Doch das ist fast unmöglich.
I n Athen wurde gestern die Regierung Papandreou II ausgerufen. Ob das letzte Aufgebot der Pasok am Dienstag das Vertrauensvotum übersteht, ist keineswegs sicher. Aber es ist auch ziemlich egal. Wichtiger als die Zustimmung der eigenen Parlamentsfraktion ist die Frage, ob die neue Regierung einen Teil der Demonstranten beeindrucken kann, die das Parlament belagert haben.
Mit dem erklärten Ziel, das mittelfristige Sparprogramm zu verhindern, das die Regierung unter dem Druck ihrer internationalen Gläubiger - repräsentiert durch die Troika aus EU-Kommission, EZB und IWF - durchbringen will.
Die neue Regierung muss die eigene Partei überzeugen, die Troika beeindrucken und die "Empörten" auf der Straße zumindest zum Zuhören bringen. Dass dies fast unmöglich ist, zeigen die Probleme bei der Besetzung des Finanzministeriums: Der alte "Sparkommissar" Papakonstantinou wurde geopfert, weil er für die Demonstranten ein rotes Tuch und für die Fraktion ein ständiges Ärgernis war; bei der Troika aber galt er als "verlässlicher" Partner.
NIELS KADRITZKE ist Autor der taz.
Deshalb wollte Papandreou als neuen Finanzminister unbedingt Loukas Papadimos, der als ehemaliger Vize der EZB das Vertrauen der Troika genießt. Papadimos Absage war für die Regierung Papandreou II fast schon der Todeskuss.
Den unmöglichen Job bekam Ex-Verteidigungsminister Venizelos, der als Rambo gilt. Und vielleicht als letzte Hoffnung für eine Regierung, deren Schicksal von den Steuereinnahmen abhängt. Denn das künstliche griechische Wirtschaftswunder bestand darin, auf Pump einen verfetteten Staatssektor zu finanzieren, ohne das Steuerparadies für die Begüterten abzuschaffen.
Nur wenn es den Steuersündern an den Kragen - und an die Auslandskonten - geht, werden die "Empörten" glauben, dass nicht nur sie zur Kasse gebeten werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
MLPD droht Nichtzulassung zur Wahl
Scheitert der „echte Sozialismus“ am Parteiengesetz?
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Geschasste UN-Sonderberaterin
Sie weigerte sich, Israel „Genozid“ vorzuwerfen
Förderung von E-Mobilität
Habeck plant Hilfspaket mit 1.000 Euro Ladestromguthaben
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Vertrauensfrage von Scholz
Der AfD ist nicht zu trauen