Kommentar Gesamtschulen: Es lebe die Ideologie!
Gerade als Vorbildschule ausgezeichnet, steht die Integrierte Gesamtschule Göttingen-Geismar unter politischem Druck. Und mit ihr alle anderen Gesamtschulen Niedersachsens.
E s hätte ein richtiges Happy End sein können. Der Mann, welcher die Gesamtschule einst bekämpfte, schüttelt dem Gesamtschulleiter unter aufbrandendem Applaus die Hand. So geschehen am Freitag in Berlin, als Bundespräsident Christian Wulff (CDU), einst niedersächsischer Ministerpräsident, der Integrierten Gesamtschule Göttingen-Geismar den Deutschen Schulpreis als beste deutsche Schule überreichte. Doch Schulfrieden war gestern, heute herrscht wieder Krieg.
Die schwarz-gelbe Regierung in Hannover will der Schulpreisschule - und damit allen anderen niedersächsischen Gesamtschulen - auf keinen Fall erlauben, ihr gerade erst preisgekröntes Konzept fortzusetzen. Sie sollen ihre gymnasialfähigen Schüler schneller zum Abitur bringen, und das heißt, sie früher von vermeintlich schwächeren Schülern trennen. Frei nach dem Motto: pfeif auf gute Erfahrungen, es lebe die Ideologie.
Ideologien dienen dazu, politisches Handeln zu rechtfertigen. Und die Bildungspolitik der CDU ist in Niedersachsen und bundesweit darauf ausgerichtet, Kinder möglichst früh nach "Begabungen" zu sortieren und sie in separaten Klassen und Schulformen auf bestimmte Abschlüsse zu trimmen.
ANNA LEHMANN ist Bildungsredakteurin der taz.
Oberstes Ziel der konservativen Bildungspolitiker, ob in Sachsen, Niedersachsen oder Bayern, ist dabei immer, die Institution Gymnasium für die Leistungselite, welche sich hauptsächlich aus den Kindern der Bildungsbürger rekrutiert, zu bewahren. Alle Schulen, die diese Separierung aufheben, werden als "Einheitsschulen" verunglimpft.
Dass nun eine solche Einheitsschule zum wiederholten Male als Vorbildschule ausgezeichnet wurde, ficht die Konservativen nicht an. Sie lassen sich ihre Vorstellungen, wie Schule zu funktionieren hat, nicht kaputtmachen. Um keinen Preis.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Stellenabbau bei Thyssenkrupp
Auf dem Rücken der Beschäftigten
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!