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Kommentar Gert-Rüdiger HoffmannOhne Wahrheit keine Versöhnung

Stefan Reinecke
Kommentar von Stefan Reinecke

Ist der Tonfall in der aktuellen Stasi-Debatte nicht zu scharf? Nein. Die Linkspartei hat Glück, unfallfrei durchs Wendejahr gekommen zu sein und muss schleunigst aufräumen.

A ls Matthias Platzeck in Brandenburg eine rot-rote Koalition ansteuerte, gab es viele skeptische Stimmen. Denn mehr noch als in anderen Landesverbänden der Linkspartei haben viele Genossen in Brandenburg eine trübe Stasivergangenheit. Wenn Rot-Rot regiert, lautete die Befürchtung, gäbe es eine stillschweigende Generalamnestie. Eine Verdrängung der Vergangenheit findet ja nicht per Anordnung von oben statt, sondern durch sanfte Grenzverschiebung dessen, was als noch akzeptabel gilt. Und dass ausgerechnet der Exbürgerrechtler Matthias Platzeck zur Versöhnung aufrief – musste das nicht das achselzuckende Vergessen befördern?

Doch dass Rot-Rot in Potsdam das Vergessen besiegelt habe, davon kann kaum die Rede sein. So viel Stasidebatte, so viel Aufmerksamkeit für die DDR-Biografien von Ostpolitikern gab es schon lange nicht mehr. Zuerst verzichtete die Fraktionschefin der Linkspartei, Kerstin Kaiser, die als 19-Jährige für die Stasi gespitzelt hatte, auf ein Ministeramt, um Rot-Rot zu ermöglichen. Jetzt will die Linkspartei in Potsdam selbst, dass einer ihrer Abgeordneten sein Mandat niederlegt, weil er verschwieg, dass er sich einst als IM verpflichtete.

Ist der Tonfall in dieser Debatte nicht zu scharf? Der Abgeordnete Gerd-Rüdiger Hoffmann hat vor 39 Jahren, als 17-Jähriger, bei der Stasi unterschrieben. Wäre nicht etwas mehr Nachsicht geboten bei einem IM, der kaum volljährig war? Doch. Aber solche Relativierungen setzen stets eins voraus: Die Akteure müssen reinen Tisch gemacht haben.

Bild: taz

Stefan Reinecke ist Redakteur im Parlamentsbüro der taz.

Die Öffentlichkeit hat, zwanzig Jahre nach Mauerfall, in Sachen Stasivergangenheit ein Recht auf Ehrlichkeit. Appelle zur Versöhnung haben nur Sinn, wenn klar ist, um welche Schuld und welches Fehlverhalten es en détail und konkret geht. Ohne Wahrheit keine Versöhnung. Es scheint, dass dies in der Linkspartei noch nicht alle begriffen haben. Deshalb war es nötig, dass die Linkspartei in Potsdam jetzt einen scharfen Trennungsstrich gezogen hat.

Die Linkspartei Ost hat ihre Drähte zu DDR-Nostalgikern und Stasiseilschaften nie gekappt. Sie hat es trotzdem geschafft, einigermaßen unfall- und skandalfrei durchs Jubiläumsjahr des Mauerfalls zu kommen. Dass sie ihre Vergangenheit ausgerechnet in dem Moment einholt, indem sie in Brandenburg an einer Landesregierung beteiligt wird, ist eine Ironie der Geschichte.

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Stefan Reinecke
Korrespondent Parlamentsbüro
Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.
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4 Kommentare

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  • M
    Melissa

    Es scheint, dass sich Herr Hoffmann engagiert hat und sein Engagement in den eigenen Reihen unerwünscht ist, so dass die Vergangenheit durchwühlt wird auf der Suche nach Verwertbarem. Das passiert in Deutschland regelmäßig mit unbequemen Querulanten. Aber: Im Alter von 17 Jahren (noch nicht einmal volljährig) sind wohl viele Menschen blauäugig. Und: Es sind 4 Jahrzehnte vergangen, in denen sich Herr Hoffmann auf verschiedenen Gebieten Verantwortung übernommen hat.

     

    Möge er sein Mandat behalten! Es gibt in den Behörden heute, 20 Jahre nach dem Mauerfall, immer noch Mitarbeiter, die nach Stasimanier und mit Stasimethoden den Menschen in privaten Angelegenheiten hinterher schnüffeln, sie denunzieren, Biografien zerstören. Ist das besser? Ist das weniger schlimm?

     

    Wer noch nie eine Sünde begangen hat, der werfe den ersten Stein.

  • HR
    Helmut Ruch

    „Die Linkspartei muss aufräumen“. Ein typischer Reinecke! Die verhasste Partei heißt zwar seit über 2 Jahren „DIE LINKE“, das muss er aber nicht zur Kenntnis nehmen. Das große VorBILD hat es ja auch Jahrzehnte lang geschafft, politische Realitäten in „sogenannte“ umzudeuten.

    Aber zum Inhalt: wenn sich die grünen Paten der taz, samt deren Heinrich-Böll-Stiftung, auch nur annähernd so intensiv mit der politischen Vergangenheit der sie beherrschenden ehemaligen KBW-Kader beschäftigt hätten wie die damalige PDS mit der ihrer Mitglieder, wäre nicht aus der Friedenspartei Petra Kellys die Partei der Kriegstreiber um Fischer, Schmierer, Fücks und Nachtweih geworden, wäre Ökologie noch ein glaubhaftes Thema der Grünen und nicht nur ein politisches Deckmäntelchen. Bei den Leuten, die diesen Kurswechsel bewirkt haben, handelte es sich auch nicht um 17 jährige Schüler, und die Informationen über diese Leute sind auch immer gut zugänglich gewesen, z.B. hier:

    http://www.ulrich-wegener.de/spd_dsv/spd_dsv_diskussion/gruene/dittfurt_gruene.pdf

    Dass die Grünen nicht in der Lage sind, „aufzuräumen“, verwundert nicht; täten sie es, können sie gleich mit der FDP fusionieren. Für einen Journalisten wie S. Reinecke aber sollte der oben angeführte Artikel Jutta Dittfurts doch genug Stoff bieten, sich mit seinen politischen Freunden etwas intensiver auseinander zu setzen. Auch sein Arbeitgeber kommt bei Dittfurt übrigens nicht gut weg: so wie sie heute gegen DIE LINKE im Allgemeinen und Lafontaine im Speziellen hetzt, agierte die taz in den 80er Jahren gegen die „Fundies“ bei den Grünen. Tradition verpflichtet!

  • EB
    Ein Brandenburger

    @Jan

    Ich bin vollkommen Deiner Meinung.

    Doch man muß ja auch an die armen Journalisten denken.

    Eine der „Lieblingsbeschäftigungen“ von Stefan Reinecke ist das Bashing von „Die Linke“.

    Dabei spielt es keine Rolle ob es um die ganze Partei, ein einzelnes Mitglied oder wie jetzt um das ewige Thema Stasi geht.

     

    Womit soll der Gute denn seine Brötchen verdienen wenn er den halben Tag Däumchen drehen müßte?

     

    Irgendwie ist es schon komisch daß fast nur Mitglieder von „Die Linke“ Kontakte mit der Stasi hatten. Ein Schelm wer Böses dabei denkt.

  • J
    Jan

    Also langsam aber sicher geht mir das auf die Ketten! Bei vielen ernsthaften Straftaten gibt es eine viel kürzere Verjährungszeit. Aber dass einer vor fast 40 (!) Jahren als 17-jähriger bei der Stasi unterschrieben hat, das wird ihm jetzt noch angelastet. 40 Jahre - Mensch, so lange haben Alt-Nazis wie Filbinger, Globke uva. in der BRD munter mitregiert und diese Leute hatten viele Menschenleben auf dem Gewissen! Noch heute gibt es bei der Bundeswehrmacht Kasernen, die nach Kriegsverbrechern benannt sind. Meiner meiner nach sollte sich die taz mehr mit solchen Sachen auseinandersetzen, als mit den rechtskonservativen auf die Linke einzuprügeln.

    Ich selbst bin linientreu in der DDR aufgewachsen (geb. 1974), habe aber sehr viele Misstände gesehen und war deshalb begeisterter Anhänger von Gorbatschows Glasnost und Perestroika. Als Jugendlicher war ich naiverweise überzeugt, dass die Stasi hauptsächlich Auslandsspionage macht und abwehrt. Ich weiß also selber auch nicht, wie ich mich in so einer Situation verhalten hätte, da mir die Tragweite nicht bewusst gewesen wäre. Im übrigen könnte ich mich nach 40 Jahren sicher auch nicht erinnern, ob ich "Kontakt" zu einer Organisation hatte oder etwas unterschrieben habe.

    Liebe taz-er wendet Euch den wahren Problemen zu: soziale Probleme, Arbeitslosigkeit, nukleare Abrüstung (viel wichtiger als ein überhasteter Atomausstieg!!!) etc. und überlasst das Einprügeln auf die Linken der BLÖD-Zeitung u.a.

     

    MfG

     

    Jan Michael (Dresden)