piwik no script img

Kommentar Folgen aus dem NSU-TerrorKeine Erschütterung

Andreas Speit
Kommentar von Andreas Speit

Ein Jahr nach der Aufklärung der NSU-Morde ist die alltägliche Routine zurückgekehrt. Zehn Morde haben die Republik nicht nachhaltig erschüttert.

S ie waren sehr emsig. Sie haben alles getan. Sie haben in Hamburg nur eines nicht gemacht: nach rechts geschaut. Gül Pinars Kritik an den Ermittlern kann nur zugestimmt werden. Diese Kritik betrifft die gesamten Ermittlungen zu der rechten Mordserie.

Auch im Norden galt bei den Sicherheits- und Verfassungsschutzorganen, dass nicht sein durfte, was nicht sein sollte – Terror von rechts. Dass der Hamburger Verfassungsschutz falsche Einschätzungen auf einer taz-Veranstaltung einräumte, hat aber bisher auch nicht zu dem geführt, was Kazim Abaci gehofft hatte: ein konsequentes Umdenken. So soll das V-Mann-System in Hamburg weiter bestehen bleiben. Der Kritik von Abaci kann also auch nur zugestimmt werden.

Ein Jahr danach sind alle Stellen, außer die direkt betroffenen Ämter und Behörden, in die alltägliche Routine zurückgekehrt. Vielleicht auch, weil in der Öffentlichkeit kaum Druck auf die Politik wegen des NSU entstanden ist. Die unzähligen Artikel und vielen Fernseh- und Radioberichte sollten nicht täuschen: In der Bundesrepublik gibt es über die üblichen Verdächtigen hinweg keine breite gesellschaftliche Debatte über Gewalt mit rechtsextremem oder rassistischem Hintergrund.

Ein Grund, und zwar der, den die betroffen Familien den ersten Ermittlern vorhalten, könnte der sein: „Es waren ja bloß Ausländer.“

Zehn Morde, neun an Menschen mit Migrationshintergrund, haben die Republik nicht nachhaltig erschüttert.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Andreas Speit
Autor
Rechtsextremismusexperte, Jahrgang 1966. In der taz-Nord schreibt er seit 2005 die Kolumne „Der Rechte Rand“. Regelmäßig hält er Vorträge bei NGOs und staatlichen Trägern. Für die Veröffentlichungen wurde er 2007 Lokaljournalist des Jahres und erhielt den Preis des Medium Magazin, 2008 Mitpreisträger des "Grimme Online Award 2008" für das Zeit-Online-Portal "Störungsmelder" und 2012 Journalisten-Sonderpreis "TON ANGEBEN. Rechtsextremismus im Spiegel der Medien" des Deutschen Journalistenverbandes und des Ministeriums für Justiz und Gleichstellung des Landes Sachsen-Anhalt. Letzte Bücher: herausgegeben: Das Netzwerk der Identitären - Ideologie und Aktionen der Neuen Rechten (2018), Die Entkultivierung des Bürgertum (2019), mit Andrea Röpke: Völkische Landnahme -Alte Sippen, junge Siedler, rechte Ökos (2019) mit Jena-Philipp Baeck herausgegeben: Rechte EgoShooter - Von der virtuellen Hetzte zum Livestream-Attentat (2020), Verqueres Denken - Gefährliche Weltbilder in alternativen Milieus (2021).
Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • D
    Detlev

    Ich finde das zu pessimistisch. Es hat vielleicht nicht die Entscheider erreicht, zumal die Parteien ihre 'Leute' in den Geheimdiensten haben. Freiwillig werden sie sich nicht einfach auflösen.

    In Hamburg ist es schon eher sonderbarer Stolz gewesen - die Polizei und der Verfassungsschutz in der Stadt hat die Niederlage bei der NSU einfach nicht agneommen.

     

    Im Prinzip finden diese beiden Behörden ihre Arbeit gar nicht schlecht. Natürlich werden sie weiter V-Leute beschäftigen und natürlich wird auch viel den Bach runter gehen, aber es merkt ja keiner, wer kontrolliert schon den Verfassungsschutz? Wer weiß, was der Staatsschutz wirklich macht? Niemand. Deswegen sind sich diese Hamburger Behörden ihrer Sache auch sicher.