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Kommentar FlughafenstreikGruppenegoismus führt ins Chaos

Ulrike Herrmann
Kommentar von Ulrike Herrmann

Der Streik der Vorfeldlotsen ist gruppenegoistisch. Ihr Verhalten ist nur möglich, weil es keine "Tarifeinheit" mehr gibt. Sie sollte wieder gesetzlich vorgeschrieben werden.

E s ist Erpressung: 200 Vorfeldlotsen streiken auf dem Flughafen Frankfurt - und legen fast alles lahm. Sofort stellt sich die Frage, ob die das dürfen?! Schließlich drangsalieren da 200 Leute ein Volk von 82 Millionen. Man muss kein Rechenkünstler sein, um dieses Verhältnis etwas unangemessen zu finden. Entsprechend groß ist der öffentliche Unmut.

Diese Wut geht jedoch am Problem vorbei. Jeder Streik ist eine Erpressung. Das taktische Ziel ist stets, mit möglichst geringem Einsatz den Arbeitgeber so zu schädigen, dass er zu Zugeständnissen gezwungen wird. Es ist also eine Binse: Auch 200 Vorfeldlotsen dürfen streiken - obwohl tausende Fluggäste darunter leiden.

Trotzdem bleibt Unbehagen zurück. Denn die Vorfeldlotsen machen keinen Hehl daraus, dass sie nur ihre eigenen Interessen verfolgen. Ihre Kollegen bei Fraport sind ihnen egal, die oft deutlich weniger verdienen. Ähnliche Attitüden kennt man von den Krankenhausärzten, die sich auch nicht dafür interessieren, was Pfleger erhalten.

Bild: Archiv
Ulrike Herrmann

ist wirtschaftspolitische Korrespondentin der taz.

Dieser Gruppenegoismus ist nur möglich, weil der Grundsatz ausgehebelt wurde, dass in jedem Betrieb nur ein Tarifvertrag gilt. Diese "Tarifeinheit" wurde 2010 vom Bundesarbeitsgericht gekippt. Seither können sich Spezialgewerkschaften ungebremst um Spezialinteressen kümmern. Ob es Ärzte, Lokführer, Piloten oder Fluglotsen sind.

Dieser krasse Egoismus ließe sich abstellen: Die Bundesregierung könnte die Tarifeinheit gesetzlich vorschreiben. Bisher zierte sich Schwarz-Gelb. Aber wer weiß: Vielleicht überzeugt ausgerechnet der jetzige Streik das Kabinett, dass Gruppenegoismus nur ins Chaos führt. Dann hätten sich die Vorfeldlotsen sogar ein historisches Verdienst erworben.

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Ulrike Herrmann
Wirtschaftsredakteurin
Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).
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15 Kommentare

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  • H
    Huck

    Zum Beispiel die Ärzte:

     

    Über 50 Jahre lang ließ der Marburger Bund die Tarifverträge von der DAG bzw. deren Nachfolger ver.di aushandeln, laut Kooperationsvertrag.

     

    Erst als 2005 mit dem TVöD ein aus Ärztesicht furchtbarer Tarifvertrag von ver.di abgeschlossen zu werden drohte, zog der Marburger Bund wenige Tage vorher die Reißleine und verhandelte und streikte ab dann lieber selber. Die Ergebnisse sind bekannt.

     

    Das ist die klassische Koalitionsfreiheit des Grundgesetzes.

     

    Es gibt in diesem Sinn überhaupt nur fünf Spartengewerkschaften in Deutschland, von denen drei im Luftverkehr tätig sind. Dazu kommen Lokführer und Ärzte.

     

    Es ist nämlich extrem schwer, sowas zu organisieren.

  • EA
    Enzo Aduro

    @Reiner Mayer

     

    Genau! Und wenn dann einzelne Beschäftigte auf Kosten der anderen extrem hohe Löhne Durchsetzen dann hat das was mit sozialer Gerechtigkeit zu tun oder wie?

     

    Natürlich ist den die öffentliche Wirkung egal, die wollen ja nur mehr Kohle!

     

    Wohin die Absurdität von Funktionseliten führt sieht man in Spanien: Da verdienen Fluglotsen mal ne Halbe Million im Jahr! Auf wessen kosten wohl?

     

    Das Streikrecht ist ein Privileg der schadensersatzfreien nichteinhaltung von Arbeitsverträgen zur Steigerung der sozialen Gerechtigkeit. Die erreicht man aber sicher nicht wenn Funktionseliten sich an den Futtertrögen vordrengeln.

     

    Das hat bereits zu der Absurden Situation geführt das in der Luftfahrt (wo jede einzelne Funktionselite quasi ein Vetorecht hat) das Management mitlerweile Flugzeuge Fliegen kann (Lufthansa) oder im Vorfeld arbeiten kann (Fraport). Das führt sicher nicht dazu das die bessere Manager sind wenn die jetzt zu allroundern werden. Einblick hilft sicher, aber darum geht es hier nicht. Und den "Wasserkopf" in den Verwaltungen abzubauen hilft es auch nicht. Am ende sind es die einfachen Beschäftigten und die Passagiere die den Preis zahlen.

     

    Dem Durchschnittsarbeitnehmer hilft es im übrigen auch nichts wenn Fluglotsen & Co Hunderttausend mehr machen oder nicht. Genauso wie Ihnen hohe Managerlöhne nicht helfen (Sind ja auch Arbeitslöhne).

     

    Das Geld das sich eine Funktionselite durch die illegitime Ausübung seines Vetorechts rausnimmt ist schlichtweg nicht mehr für andere da.

     

    Das Beste Beispiel zeigt die Lufthansa, eine Firma die immer so zwischen Verlustzohne und Gewinnzone rumkrebst. Hier kommen dann die Piloten und setzen noch höhere Löhne durch. Was glauben Sie wohl wo das Geld herkommt? Und nein, es sind keine Marktköhne die man zahlen muss, damit die Piloten nicht gehen, die LH löhne sind weit über dem Marktniveau, aber Sie setzen die durch ZULASTEN der anderen Arbeitnehmer.

     

    Spartengewerkschaften sorgen vielleicht dafür das in der Glotze mal hohe Gehaltsforderungen genannt werden und das es mal bei einem Streik "kracht". Wenn Sie das allein glücklich macht, nun gut. Für eine höhere Gerechtigkeit oder gar Einkommensgleichheit wirkten die Spartengewerkschaften sicher nicht.

     

    Im übrigen ist die Exsistenz der Spartengewerkschaften, bzw. deren Tariffähigkeit recht neu geschaffenes Richterrecht, seine Demokratische Rechtfertigung ist sehr zweifelhaft.

  • EA
    Enzo Aduro

    @Michael Schmidt

    FALSCH

    In einem Rechtsstaat haben sich Menschen an Verträge zu halten. Hier Arbeitsverträge. Es geht ja darum das die mittels Streikrecht befugt sind den Vertrag zu brechen.

     

    Hätte man 2 Jahre Zeit könnte man ohne Probleme genug Vorfeldleute ausbilden, es ist keinesfalls eine generelle Knappheit, es geht nur um das Drohpotential.

     

    Wenn man Ihnen einfach morgen den Strom abstellen würde, wären sie auch bereit 70 cent (üblich 20 cent) für eine Kilowattstunde zu zahlen. Sein Sie froh das Ihr Stromanbieter kein Streikrecht hat :-)

  • EA
    Enzo Aduro

    @Michael Schmidt

    FALSCH

    Wenn die Putzkräfte bei Ikea einen Organisationsgrad von 100% hätten, dann könnten sie trotzdem keinen Tarifvertrag mit +50% durchsetzen.

     

    Warum? Der "Hebel" ist schlichtweg nicht da. Die müssten schon 2 Wochen streiken, damit man richtig krass merkt das die Streiken. Darüber hinaus könnte man durch Leiharbeiter die schnell ersetzen.

     

    Die Forfeldarbeiter haben eine SPEZIAL Ausbildung (Nicht gleichzusetzen mit hoher Ausbildung, auch wenn die sicher nicht unqualifiziert sind). Ihr Drohpotential ist gigantisch.

     

    Wenn die Gehaltsfindung aber nach Drohotential einer einzelnen Berufsgruppe gemacht wird dann hat das nichts mehr mit Leistungsgerechtigkeit zu tun.

     

    Dann verdienen die Portiers ganz viel und andere Leute die wir an "die Steuerknüppel" lassen. Und das geht zu lasten der anderen Berufsgruppen, wo nicht mal eben 200 Leute 10 Stunden streiken und die Arbeit von 40.000 anderen Arbeitnehmern still steht oder nur noch zu 50% möglich ist.

     

    Des weiteren ist das Streikrecht dafür nicht gedacht. Wir landen da am ende in einem Griechenlandsystem wo Lockführer und Wachleute bei Ölfirmen enorm viel verdienen - zu kosten der Allgemeinheit.

  • RM
    Rainer Meyer

    Ein kleiner Streik an einen Flughafen und eine Tageszeitung ruft nach dem Gesetzgeber. Schließlich dürfe es nicht sein, dass "Gruppenegoismus" Erfolg hat. Die Tageszeitung ist nicht die FAZ, sondern die taz bzw. Ulrike Hermann.

    In einem Blogbetrag (http://www.dir-info.de/nachrichten/deutschland/streik-auf-flughafen-zeigt-die-macht-von-spezial-gewerkschaften-20122051) habe ich darauf hingewiesen, was die tatsächlichen Hintergründe für die Erfolge der Spezialgewerkschaften ist: Die zunehmend abnehmende Tarifquote in Deutschland und die fehlende Kraft der Branchengewerkschaften, noch reale Verbesserungen für ihre Mitglieder und den Rest der Branchen-Beschäftigten zu bekommen. Angesichts einer solchen Situation nach dem Gesetzgeber zu rufen, halte ich für fatal. Vom deutschen Bundestag zu erwarten, dass er die Handlungsmöglichkeiten der (Branchen-)Gewerkschaften erweitert, ist allzu blauäugig. Bisher hat er es ja noch nicht einmal geschafft, dafür zu sorgen, dass öffentliche Auftraggeber nur solche Unternehmen zu Ausschreibungen zulassen, die sich an Tarifverträge halten.

  • A
    Autofreier

    An den Spartengewerkschaften sieht mensch, wie die Marktwirtschaft funktioniert. Wer an Schlüsselpositionen sitzt hat mehr Verhandlungsmacht. Die "Freiheit" des Marktes ist also sehr relativ. Am besten man verbietet deshalb Spartenkapitalisten.

  • I
    ICE-Surfer

    Darf der Vorwurf des Gruppenegoismus auch auf die stuttgarter Kletteräffchen erweitert werden?

  • V
    vic

    "82 Millionen werden erpresst"

    Echt, wollten die alle weg, jetzt, von Frankfurt?

    Skandal! Das geht ja gar nicht.

  • S
    Solidarität

    Bullshit!

    Jeder Tag, an dem keine Flieger fliegen können und keine Autos fahren können, ob wegen Streiks, Unwetter, wirtschaftlichen Zusammenbruch oder whatever, ist ein Tag des Fortschritts und eine ganz kleine Chance zur Rettung des Planeten.

    Von den 82 Millionen Geiseln haben bestimmt mindestens die Hälfte kein Geld, um sich einen Flug leisten zu können, es sei denn an Weihnachten und da dann auch nur, weil die asozial teure Deutsche Bahn nicht für die Unterklassen fährt.

  • EA
    Enzo Aduro

    Für alle die den Ernst der Lage nicht verstanden haben: Was wenn die "Stromnetzschaltleiter" ein Jahresgahalt von 2.000.000 Euro fordern und Deutschland mit Blackout drohen?

     

    Das Streikrecht ist ein Privileg zur schadensersazuanspruchsfreien Nichterfüllung eines Vertrages! Es wurde geschaffen um strukturell schwächergestellte Arbeitnehmer zu ihrem Wertschöpfungsanteil zu verhelfen. Für das was ist, ist es nicht da!

  • EA
    Enzo Aduro

    Totale Zustimmung!

    Wenn in unserem Land die Löhne sich nach "infrastrukturterrosistischem Drohpotential" richtet, dann wird dieses Land nicht gerechter sondern ungerechter. Dafür ist das Streikrecht nicht da!

     

    Im Grunde die gleiche Diskussion wie unter

     

    http://www.taz.de/Streit-um-Tarifeinheit/!67054/

  • JC
    Johnny Cynic

    Ach Gottchen, Ulrike was ist denn passiert? Ist etwa Dein Flug annuliert worden?

    Eigentlich solltest Du alt genug sein um Dich an vergangene Streiks am Frankfurter Flughafen zu Zeiten der Tarifeinheit zu erinnern.

    Da wurde schon mal der gesamte Flugbetrieb eingestellt weil 80 Feuerwehrleute streikten.

  • E
    emil

    bitte setzen sie die deutsche population nicht mit willfährigen fluggästen gleich, so schlimm steht es doch einfach nicht!

     

    plus: eine winzige feminisierung der von ihnen angesprochenen berufe wäre wünschenswert.

  • B
    Basisgewerkschafter

    Guten Tag,

     

    erstaunlich, wie Sie hier einfach so ohne Quellenangabe die Meinung der Bundesvereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände (BdA) abschreiben. Wo Sie "Chaos" sagen ist nämlich tatsächlich mal ein wenig kämpferische Gewerkschaftsarbeit drin statt dem immer wegduckenden Gewerkschaftsverständnis der DGB-Bosse. Natürlich kann man die Spartengewerkschaften dafür kritisieren, dass sie wenig Solidarität zeigen gegenüber anderen Beschäftigten. Aber die Alternative "staatlich bestimmte Gewerkschaften" (euphemistisch "Tarifeinheit") bedeutet schlicht und einfach, dass es kaum Arbeitskämpfe gibt und wir seit Jahren Reallohnverluste und eine schleichende Wiedereinführung der 40-Stunden-Woche auch im Westen in allen Branchen statt eine Ausdehnung der 35-Stunden-Woche in alle Branchen im ganzen Land haben. Es gibt ja durchaus Gründe für das Entstehen von kampfstarken und kämpferischen Spartengewerkschaften. Und zwar die unerträgliche Sozialpartnerschaft der DGB-Bosse mit den Kapitalvertretern. Mir ist es lieber, dass eine Spartengewerkschaft alleine für ihre Rechte kämpft, als dass der Staat alle verpflichtet, in der gleichen Gewerkschaft zu sein, die dann nix macht, weil die kleine gelbe Blume des Verrats (Tucholsky) in den Chefetagen des DGB so hübsch blüht.

     

    Man kann sinnvolle Gewerkschaftsarbeit nicht vom Staat vorschreiben lassen. Und tatsächlich ist es auch erstaunlich, dass Sie erwarten, dass gerade die schwarz-gelbe Regierung das auch nur als Ziel haben sollte. Aber ich habe auch meine Zweifel, ob Sie das überhaupt als Ziel haben. Schließlich benennen Sie explizit, dass es sonst zu Chaos käme. Ja, so ein Chaos kann ich mir vorstellen. Wo kämen wir denn hin, wenn sich überall die Arbeiter_innen wehren würden, wenn man ihnen die Löhne kürzt! Es wären geradezu bürgerkriegsähnliche Zustände, und der Standort Deutschland wäre bedroht! Der Exportweltmeistertitel verloren!

     

    Gegen so ein obrigkeits- und kapitalistenhöriges Verständnis von Gewerkschaften als Garanten für Ruhe im Karton, egal was passiert, brauchen wir nicht. Was wir brauchen, sind kämpferische Gewerkschaften, die die als Krise getarnten Angriffe des Kapitals abwehren können und eine Verbesserung der Gesellschaft in Gang setzen können. Ich bezweifele, dass die DGB-Gewerkschaften dafür das richtige Vehikel sein können - alle Versuche, andere Gewerkschaften zu verbieten (ein Streikverbot wie Sie es vorschlagen ist de facto ein Gewerkschaftsverbot) sind reaktionär. Solidarität zwischen den Arbeiter_innen wird man nicht per Gesetz verordnen, sondern in der täglichen Praixis von unten herstellen können.

     

    Gruß,

  • MS
    Michael Schmidt

    Oh nein, Frau Herrmann,

     

    Sie begehen hier den, nein DIE grundsätzlichen Denkfehler, die leider überall anzutreffen sind. Die Fluglotsen können streiken, weil sie zu über 80% Mitglied in ihrer Gewerkschaft GdF sind. Lokomotivführer können für höhere Löhne streiken, weil es bei ihnen ähnlich aussieht.

     

    Bei vergleichbaren Organisationsgraden könnten dies auch Reinigungskräfte. Doch wie sieht es aus? IKEA hat einen Organsisationsgrad von unter 10%, in meiner Fa., deren Namen ich jetzt mal verschweige, liegt der Organisationsgrad unter 2% bei über 2.000 Beschäftigten.

     

    Nun ist es in Zeiten des Neoliberalismus und des ökonomischen Optimierungswahns vielleicht Zeichen der individuellen Freiheit oder auch übergrosser Angst, sich als Arbeitnehmer nicht zu organisieren - doch es fehlt mittlerweile in vielen Betrieben überhaupt die Möglichkeit, eine Lohnforderung seitens der Belegschaft zu organisieren!

     

    Ich wäre überrascht, wenn die Gesamtbelegschaft des Fraports zu mehr als 10% gewerkschaftlich organisiert wäre - ein Streik dieser 10% trifft Faport nicht schlimmer als eine Grippewelle und die restlichen 90% "haben es ja gleich gewußt".

     

    Uns was wollen Sie, Frau Herrmann: Sie wollen, daß angesichts einer solchen Struktur, also

    - Menschen, die Angst haben, Lohnforderungen zu stellen

    - Menschen, die den Sinn, gemeinsam für eigene Interessen in der Arbeitswelt einzustehen nicht erkennen

     

    auch noch diejenigen, die als Arbeitnehmer derzeit solidarisch untereinander sind und dazu noch handlungsfähig sind, gesetzlich ausbremsen.

     

    Dies wollen Sie offenbar angesichts von Arbeitgebern, die ihrerseits meist in der Sache kalt berechnend und besser organisiert sind als ihre Arbeitnehmer.

     

    Die von Ihnen vorgeschlagene gesetzliche Regelung führt angesichts der Lethargie der meisten Arbeitnehmer (für die es Gründe gibt) dazu, daß nirgendwo mehr gestreikt wird / gestreikt werden kann.

     

    Europaweit ist Deutschland übrigens das Land, in dem am wenigsten gestreikt wird - und ich bin mittlerweile froh angesichts des Duckmäusertums um mich herum, wenn Leute klar sind in ihren Forderungen. Obendrein sehe ich die Vorbildfunktion.

     

    Aber die deutsche Presse war noch nie streikfreundlich - und die taz zählt dann in dieser Hinsicht wohl auch dazu.

     

    Ich hingegen befürworte das Subsidiaritätsprinzip - auch bei Gewerkschaften!