Kommentar Fingerabdrücke: Datenschutz sieht anders aus
Schäuble will nun doch nicht Fingerabdrücke auf Personalausweisen speichern lassen - die Sache bleibt freiwillig. Unsicher sind die neuen Ausweise mit biometrischem Bild trotzdem.
Veit Medick ist Volontär bei der Taz.
Seit den Spitzelskandalen bei Lidl, Burger King und Telekom kann man beim Wahlvolk nicht gerade damit punkten, wenn man private Daten sammelt - das scheint nun offenbar auch der Union klar geworden sein. Ausgerechnet bei einem seiner sicherheitspolitischen Lieblingsprojekte rudert Innenminister Wolfgang Schäuble darum plötzlich zurück: Niemand wird seinen Fingerabdruck künftig auf dem Personalausweis speichern lassen müssen. Nur auf ausdrücklichen Wunsch soll dies geschehen. Das ist zwar vernünftig, und die SPD darf sich freuen, sich einmal durchgesetzt zu haben. Doch genau genommen handelt es sich dabei um einen datenschutzrechtlichen Pyrrhussieg.
Das zentrale Argument der Speicherbefürworter war immer schon absurd. Ein biometrischer Pass mit Fingerabdruck würde uns sicherer machen, hieß es, weil er Fälschungen vorbeuge und Identifizierungen leichter mache. Doch Fälschungssicher sind die bisherigen Ausweise auch jetzt schon: seit dem Jahr 2001 sind der Polizei gerade mal 88 Komplettfälschungen untergekommen - gemessen an der Gesamtzahl von Ausweisen ist diese Zahl ein Witz. Mag sein, dass sich mit dem neuen Ausweis künftig zwei, drei Kriminelle möglicherweise schneller identifizieren ließen - die riesigen Mehrkosten für den Steuerzahler lassen sich mit ein paar gefassten Drogendealern nicht rechtfertigen.
Auf den ersten Blick scheint das Optionsmodell daher vernünftig: Jeder soll selbst entscheiden, ob er seinen Fingerabdruck in den Ausweis aufnehmen lassen will oder nicht. Doch es bleibt ein fader Kompromiss, denn das biometrische Gesichtsfeld muss nach wie vor auf dem Kärtchen gespeichert werden - so, wie bereits seit letztem Jahr im Reisepass üblich. Wie anfällig für Missbrauch der ist, das haben unlängst ein paar clevere Informatiker gezeigt. Den unbefugten Zugriff auf seine sensiblen Daten merkt man gar nicht - und das wird auch beim Personalausweis nicht anders sein. Denn Passchip ist Passchip: Er lässt sich im Umkreis von 50 Metern ohne Berührung auslesen. Datenschutz sieht anders aus.
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