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Kommentar FinanzkriseWenn Banken husten

Beate Willms
Kommentar von Beate Willms

Die Maßnahmen der Bundesregierung gegen die Finanzkrise sind dumpf reaktiv. Nachhaltige Industriepolitik muss auf die politische Agenda gesetzt werden.

Bild: juergen kiontke

Beate Willms ist Wirtschaftsredakteurin der taz.

Was zu Beginn der Krise der Begriff Konjunkturprogramm war, ist heute die Industriepolitik: ein Tabuwort, mit dessen vermeintlicher Überkommenheit sich trefflich Stimmung gegen jede aktive Politik machen lässt. Das lähmt ausgerechnet in einer Zeit, in der nichts mehr gebraucht wird als kluge Überlegungen und klare Entscheidungen - sprich: ein ökonomisch tragfähiger Plan, wie die Wirtschaft des Landes, der Region, der europäischen Gemeinschaft nach der Krise aussehen soll.

So ist alles, was die Bundesregierung treibt, ausschließlich dumpf reaktiv. Sie steckt Geld in nahezu jede Bank, die hustet. Egal ob diese systemisch notwendig ist oder nicht. Was soll bitte zusammenbrechen, ginge die VW-Bank pleite?

Und auch für Großunternehmen steht sie bereit, vorausgesetzt sie jammern laut genug. Bei Airbus will sie einspringen, auch Schaeffler stellt sie Hilfe in Aussicht. Und für Opel wirbt derzeit der neue Wirtschaftsminister in Washington.

Selbst bei dem an sich auch sozial und volkswirtschaftlich sehr sinnvollen Instrument der Kurzarbeit kann man den Eindruck gewinnen, dass die Regierung es nur nutzt, um den Unternehmen zu helfen, ihre Fachkräfte über die Rezession zu retten - damit sie danach dort weitermachen können, wo sie aufgehört haben.

Nie konnten so viele Mittel mobilisiert werden wie jetzt. Nie waren die Chancen deshalb größer. Dazu braucht man allerdings politischen Willen - und einen Masterplan, welche Branchen im Rahmen der großen Zukunftsfragen Klimawandel, Armutsbekämpfung und Gerechtigkeit verzichtbar und welche erhaltenswert sind. Welche Schlüsselsysteme doch besser in staatliche als in private Hände gehören. Dass die Bundesregierung dazu keine Idee hat, ist nicht verwunderlich. Schließlich fördert sie das alte wirtschaftsliberale Denken, das die Krise erst möglich gemacht hat. Das Glück im Unglück: Die Rezession wird noch eine Weile dauern. Bis zu den Wahlen auf jeden Fall. Gelegenheit also, die Diskussion auf die wesentlichen Bereiche zu lenken. Vielleicht fällt dann auch jemandem aus der Opposition auf, dass nachhaltige Industriepolitik nicht mit Planwirtschaft gleichzusetzen ist.

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Beate Willms
Ressortleiterin Wirtschaft und Umwelt

2 Kommentare

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  • HH
    Hans-Hermann Hirschelmann

    Ok, aber was ist Ziel gerichtetes Wirtschaften zu sagen?

     

    Fragt hhirschel

  • UU
    Ullrich Umann

    Was schlägt denn Fr. Willms vor, wie ein Konjunkturprgramm, entschuldigung, Industrieprogramm aussehen soll? Und was wäre denn, wenn die Bundesregierung entschiede, die Zeitungsbranche gehört nicht zu den zukunftsträchtigen Erwerbszweigen. Schließlich verbraucht sie Papier, und das führt zur Waldabholzung... Wäre dann Fr. Willms immer noch für eine zentrale Entscheidungsinstanz? Oder sollte dann doch lieber wieder der Markt, sprich der Käufer von Produkten und Dienstleistungen über die Zukunftsfähigkeit von Arbeitsstellen durch das Bezahlen, zum Beispiel am Zeitungskiosk, mitreden dürfen?

     

    Ullrich Umann

    Mexiko-Stadt