Kommentar Filesharing: Du hast schlechte Pornos getauscht!
Eine Anwaltskanzlei will die Namen von Gegnern öffentlich machen, die illegal Pornos getauscht haben sollen. Reicht Filesharing als Grund, um sexuelle Vorlieben zu outen?
D ie Regensburger Anwaltskanzlei Urmann + Collegen Rechtsanwälte, die Rechteinhaber in Urheberrechtsfragen vertritt, kündigte auf ihrer Website an, dass sie künftig die Namen von Urheberrechtsverletzern, mit denen sie im Rechtsstreit liegt, veröffentlichen will. Dass das zulässig sein kann, hatte das Bundesverfassungsgericht 2007 entschieden.
Doch so einfach, wie die Kanzlei nun tut, ist es keineswegs: Das Urteil drehte sich um „normale“ Prozessgegnerschaften – doch Urmann + Collegen vertreten in Urheberrechtsfragen vor allem eine pikante Gruppe: die Rechteinhaber des Erotik- und Pornobusiness.
Ob in der Güterabwägung das Recht auf Veröffentlichung von Prozessgegnern nicht durch den besonders geschützten Bereich der Selbstbestimmung, namentlich dem der sexuellen Vorlieben, überwogen wird? Man darf skeptisch sein, dass die Regensburger Anwaltskanzlei hier gewinnen kann.
Falk Lüke ist Autor der taz und Mitglied im Verein Digitale Gesellschaft.
In erster Linie handelt es sich also um eine Abschreckungsmaßnahme: Es könnte sein, dass wir Dich und Deine Vorliebe für „Deutsche Mütter über 50“ demnächst für Google und damit die ganze Welt kombinierbar ins Netz stellen. Also geh am besten gar nicht erst vor Gericht, wenn wir Dich abmahnen, zahl' was wir wollen und erkenne deine „Schuld“ an.
Doch auch ohne das gefühlte Erpressungspotenzial der angedrohten Pornogeschmacksleaks muss man sich fragen, ob das eine kluge Wahl ist. Einer der Titel, den die Kanzlei selbst vertritt, könnte auch für Sie zutreffen: „Du bist als Nächster dran“. In Österreich veröffentlichen Menschen, die sich als anonymouszugehörig bezeichnen, im vergangenen Jahr die Privatadressen österreichischer Polizisten, Rechtsradikale veröffentlichten immer wieder im Netz Feindeslisten, Linke leakten ganze Mitgliederlisten der Rechten und so weiter.
Am Ende gewinnt dabei niemand, und wenn die Pornoanwälte von Urmann + Collegen ihre Ankündigung wahr machen, kann man schon fest damit rechnen, dass sich jemand findet, der sich ganz besonders dieser Kanzlei und ihren Angestellten beschäftigt. Auch wenn das genauso idiotisch ist wie die Ursprungsidee.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Anschlag in Magdeburg
Der Täter hat sein Ziel erreicht: Angst verbreiten
Tarifeinigung bei Volkswagen
IG Metall erlebt ihr blaues „Weihnachtswunder“ bei VW
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei