Kommentar Fall Arigona: Gnade vor Bleiberecht
Statt für bessere Gesetze zu sorgen, will die österreichische Regierung den Fall mit einem Gnadenakt lösen.
Österreichs Kanzler Gusenbauer findet es "grauslich", wenn gut integrierte Familien abgeschoben und Familien zerrissen werden. Doch als Regierungschef hat er keine Schritte gemacht, um solche "Grauslichkeiten" zu verhindern. Denn dazu müsste er das "Fremdenrecht", das solche "Grauslichkeiten" ermöglicht oder gar vorschreibt, reformieren. Seine SPÖ aber hat vor zwei Jahren - damals noch in Opposition - ohne Not die drastische Verschärfung des Ausländerrechts mitgetragen.
Die Novelle schuf unzählige Schikanen für Arbeitsmigranten, Asylwerber und Einbürgerungswillige. Nach Ansicht von Verfassungsgerichtshofspräsident Karl Korinek ist sie außerdem schlampig gemacht, weil unklare Formulierungen der Beamtenwillkür Tür und Tor öffneten. Alle Bedenken, die jetzt wieder vorgetragen werden, waren schon beim Entwurf des Gesetzes geäußert worden, von den Grünen bis amnesty international. Doch die SPÖ wollte der latenten Fremdenfeindlichkeit Rechnung tragen. Schließlich erinnerte man sich, dass massive Stimmenverluste die FPÖ 1999 die Kanzlerschaft gekostet hatten.
Mit dem Fall der 15-jährigen Arigona Zogaj, die aufgrund der Abschiebung ihrer Familie untergetaucht war, bekamen die Opfer dieser Politik plötzlich ein attraktives Gesicht. Das Schicksal der Kosovo-Albanerin, die in oberösterreichischem Dialekt redet, rührte selbst die reaktionäre Kronen-Zeitung. Doch selbst angesichts dieser Stimmung fordern nur wenige SPÖ-Politiker die Entschärfung des Fremdenrechts oder treten gar für ein Bleiberecht gut integrierter Familien ein. Und nur ganz Mutige merken an, dass sich ein Zuwanderungsland durch solche Gesetze die Zukunft verbaut.
Dass solche Stimmen nicht zu laut werden, garantieren Bundeskanzler Alfred Gusenbauer und sein Fraktionschef Josef Cap. Schließlich will man sich nicht die mächtige Kronen-Zeitung zum Feind machen, die täglich einen Zusammenhang zwischen Kriminalität und Zuwanderung konstruiert. So zieht sich die Regierung auf die billigste Position zurück: Statt für bessere Gesetze zu sorgen, die weniger Härtefälle schaffen, treibt sie die Lösung dieses Einzelfalls mittels Gnadenakt voran. Das ist zu wenig.
Kommentar Fall Arigona: Gnade vor Bleiberecht
Statt für bessere Gesetze zu sorgen, will die österreichische Regierung den Fall mit einem Gnadenakt lösen.
Österreichs Kanzler Gusenbauer findet es "grauslich", wenn gut integrierte Familien abgeschoben und Familien zerrissen werden. Doch als Regierungschef hat er keine Schritte gemacht, um solche "Grauslichkeiten" zu verhindern. Denn dazu müsste er das "Fremdenrecht", das solche "Grauslichkeiten" ermöglicht oder gar vorschreibt, reformieren. Seine SPÖ aber hat vor zwei Jahren - damals noch in Opposition - ohne Not die drastische Verschärfung des Ausländerrechts mitgetragen.
Die Novelle schuf unzählige Schikanen für Arbeitsmigranten, Asylwerber und Einbürgerungswillige. Nach Ansicht von Verfassungsgerichtshofspräsident Karl Korinek ist sie außerdem schlampig gemacht, weil unklare Formulierungen der Beamtenwillkür Tür und Tor öffneten. Alle Bedenken, die jetzt wieder vorgetragen werden, waren schon beim Entwurf des Gesetzes geäußert worden, von den Grünen bis amnesty international. Doch die SPÖ wollte der latenten Fremdenfeindlichkeit Rechnung tragen. Schließlich erinnerte man sich, dass massive Stimmenverluste die FPÖ 1999 die Kanzlerschaft gekostet hatten.
Mit dem Fall der 15-jährigen Arigona Zogaj, die aufgrund der Abschiebung ihrer Familie untergetaucht war, bekamen die Opfer dieser Politik plötzlich ein attraktives Gesicht. Das Schicksal der Kosovo-Albanerin, die in oberösterreichischem Dialekt redet, rührte selbst die reaktionäre Kronen-Zeitung. Doch selbst angesichts dieser Stimmung fordern nur wenige SPÖ-Politiker die Entschärfung des Fremdenrechts oder treten gar für ein Bleiberecht gut integrierter Familien ein. Und nur ganz Mutige merken an, dass sich ein Zuwanderungsland durch solche Gesetze die Zukunft verbaut.
Dass solche Stimmen nicht zu laut werden, garantieren Bundeskanzler Alfred Gusenbauer und sein Fraktionschef Josef Cap. Schließlich will man sich nicht die mächtige Kronen-Zeitung zum Feind machen, die täglich einen Zusammenhang zwischen Kriminalität und Zuwanderung konstruiert. So zieht sich die Regierung auf die billigste Position zurück: Statt für bessere Gesetze zu sorgen, die weniger Härtefälle schaffen, treibt sie die Lösung dieses Einzelfalls mittels Gnadenakt voran. Das ist zu wenig.
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Kommentar von
Ralf Leonhard
Auslandskorrespondent Österreich
*1955 in Wien; † 21. Mai 2023, taz-Korrespondent für Österreich und Ungarn. Daneben freier Autor für Radio und Print. Im früheren Leben (1985-1996) taz-Korrespondent in Zentralamerika mit Einzugsgebiet von Mexiko über die Karibik bis Kolumbien und Peru. Nach Lateinamerika reiste er regelmäßig. Vom Tsunami 2004 bis zum Ende des Bürgerkriegs war er auch immer wieder in Sri Lanka. Tutor für Nicaragua am Schulungszentrum der GIZ in Bad Honnef. Autor von Studien und Projektevaluierungen in Lateinamerika und Afrika. Gelernter Jurist und Absolvent der Diplomatischen Akademie in Wien.