Kommentar FDP: Abschied von der Unions-Mutti
Seit zweieinhalb Jahren werden die Liberalen von der Merkel-Union einfach an die Wand regiert. Inzwischen verwandelt sie sich wieder in eine Oppositionspartei zurück.
D ie FDP macht sich ehrlich – endlich! Dieser Tage kann man ihr dabei zuschauen, wie sie sich von der Koalitionspartei hin zur Oppositionspartei mit liberalkonservativem Profil zurückverwandelt. Und das, obwohl sie in Regierungsverantwortung ist. Dieses Kunststück irritiert die Union und die Wähler gleichermaßen, aber es sorgt parteiintern für Klarheit, was das eigene Profil angeht. Warum nicht wieder zurück zur elitären Wachstums-Mantra-Partei, wenn es bislang offenkundig nicht klappt hat mit dem „mitfühlenden Liberalismus“ der Spitzen-Boygroup?
Woher ihnen plötzlich dieser auf den ersten Blick selbstverletzende Mut zuwächst, ist klar. Die Liberalen haben verstanden, dass sie in dieser Regierung nichts mehr zu verlieren haben. Und dass die Union samt der Kanzlerin innen- und europapolitisch auf so dünnem Eis steht, dass der Bruch der Koalition den sehr wahrscheinlichen Verlust der Macht bedeuten würde. Diese Konstellation macht die FDP unverhofft selbstbewusst. Anders ist kaum zu erklären, wie ungeniert sie neuerdings gegen die Unions-Mutti anrennt.
Ob bei der ultimativen Festlegung auf Joachim Gauck als Kandidat für das Bundespräsidentenamt. Ob beim bizarr humorigen Merkel-Frosch-Vergleich des Vizekanzlers Philipp Rösler. Ob bei der verpassten Kanzlermehrheit bei der Griechenland-Abstimmung am Montagabend – nach bisher gepflegten innerkoalitionären Spielregeln laufen die Liberalen plötzlich nicht mehr rund. Aber das Gegenteil ist der Fall: Sie tun das Richtige.
Seit zweieinhalb Jahren werden die Liberalen von der Merkel-Union einfach an die Wand regiert. Atom-Ausstieg, Euro-Rettungsschirm, Griechenland-Hilfe – am Ende haben sie allen ihren Überzeugungen zuwiderlaufenden Beschlüssen zugestimmt. Und während sie spuren, laufen sich schon die Sozialdemokraten für die Wiederheirat 2013 warm. Wenn’s geht, sollte der Wähler sich dann beim Stichwort FDP an mehr erinnern können als an die Hotel-Steuer.
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