Kommentar Europa: Die Einschläge kommen näher
Die von Merkel verordnete Sparpolitik untergräbt das Vertrauen in die Politik. In Frankreich, Tschechien und den Niederlanden lassen sich die Bürger das nicht gefallen.
E s wird einsam um Angela Merkel in Europa. In Frankreich, in den Niederlanden und in Tschechien sind die Partner der Kanzlerin auf dem absteigenden Ast. In Paris droht Merkels engstem Verbündetem Nicolas Sarkozy das Aus. In Den Haag ist die Regierung wegen des Sparkurses auseinandergebrochen. Und in Prag löst sich die Koalition auf, nachdem Zehntausende aus Wut über Kürzungen auf die Straße gegangen waren.
Es ist überall das Gleiche: Die von Merkel verordnete Austeritätspolitik und die Aussicht auf noch härtere Einschnitte unter dem neuen Fiskalpakt untergraben das Vertrauen in die Politik. Dem Spardiktat waren im vergangenen Jahr schon die Regierungen in Italien, Griechenland und Spanien zum Opfer gefallen. Nun kommen die Einschläge näher: Auch Merkels engste Partner in Mitteleuropa geraten unter massiven Druck.
Überraschend ist dies nicht. Denn der Sparkurs ist nicht nur ökonomisch unsinnig. Wenn alle gleichzeitig auf die Sparbremse treten, muss dies zu einem Rückgang der Wirtschaftsleistung und zu sozialen Problemen führen. Er ist auch politisch fragwürdig: Wird er von Technokraten umgesetzt, wie derzeit in Rom, hebelt er die Demokratie aus. Wird er von gewählten Politikern vertreten, müssen diese damit rechnen, von ihren Wählern abgestraft zu werden.
ist Europa-Korrespondent der taz in Brüssel.
Freuen kann man sich darüber allerdings kaum. Denn zum einen stärkt der falsche Kurs die extreme Rechte – siehe Paris. Zum anderen führt die Krise dazu, dass sich demokratisch nicht legitimierte Anleger, also die viel zitierten „Märkte“, abwenden und einen „sicheren Hafen“ in Deutschland suchen. Ergebnis: die Krisenländer werden weiter geschwächt, Deutschland gestärkt. Es ist, als wären Merkels Partner von einem Fluch getroffen: Wer sich von ihr vereinnahmen lässt, ist schon verloren.
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