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Kommentar Ethikkommission und AtomfrageDer Rat der strahlenden Geißlers

Reiner Metzger
Kommentar von Reiner Metzger

Der Kommissions-Zinnober der Regierung soll Verwirrung stiften, weiter nichts. Gebraucht wird ein Konzept zur flotteren Einführung der erneuerbaren Energien.

E ine Ethikkommission soll der Bundesregierung aus der Atom-Zwickmühle heraushelfen. Drei Damen und ein gutes Dutzend mehr oder weniger alter Herren aus Politik, Wissenschaft und Kirche sollen die Diskussion mit der Bevölkerung führen, welche Energieversorgung ethisch vertretbar sei.

Nach den in dieser Hinsicht guten Erfahrungen mit dem Schlichter Heiner Geißler beim Streit um den Bahnhof Stuttgart 21 will die Bundesregierung so offensichtlich Druck aus dem Umfragekessel nehmen. Abgesehen vom Ärger über dieses wahltaktische Verzögerungsmoment lohnt es sich kurz innezuhalten: Ist eine solche Ethikkommission sinnvoll? Immerhin ist die Energieversorgung das Rückgrat der Industriegesellschaft.

Unsere jetzigen Entscheidungen werden noch Generationen nach uns treffen. Nach kurzem Nachdenken stellt man jedoch fest: Der ganze Kommissions-Zinnober soll Verwirrung stiften, weiter nichts. Denn die ethische Frage bei der Atomkraft ist doch längst geklärt. Sie ist unverantwortbar in vielerlei Hinsicht. Und bei der Energieversorgung allgemein ist es ähnlich - Klimaproblem, Abhängigkeit von russischem Gas, arabischem Öl und so weiter. Alles seit 30 Jahren durchdiskutiert.

taz
REINER METZGER

REINER METZGER ist stellvertretender Chefredakteur der taz.

Es geht nicht mehr um das Ob, sondern um das Wie. Nicht um Ethik, sondern um Technik, Normen und Gesetze. Um die immer weitere Markteinführung und damit Weiterentwicklung der erneuerbaren Energien. Denn je langsamer wir unsere Energieversorgung auf Zukunftsfähigkeit umstellen, desto stärker müssen wir auf Katastrophen und Schocks von außen reagieren. Und desto härter und teurer wird es für die Gesellschaft.

Wir brauchen keine Ethikkommission zur Atomkraftnutzung, wir brauchen ein Konzept zur flotteren Einführung der erneuerbaren Energien und zur Energieeffizienz: weg mit den Verwaltungshindernissen, der Knebelung der kommunalen Unternehmen, her mit einer Treibhausgassteuer und einer besseren Kontrolle der Stromkonzerne und Stromnetzbetreiber.

Die tanzen der Politik und den Verbrauchern nach wie vor auf der Nase herum. Nicht weil sie eine unethische Bande sind, sondern weil sie profitgetriebene Aktiengesellschaften führen. Diese Profite werden von den Bürgern bezahlt, die sollten auch über deren Verteilung bestimmen. Wenn schon eine Kommission also, dann eine zur Wettbewerbsförderung im Energiesektor bitte schön.

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Reiner Metzger
Leiter Wochenendtaz
Reiner Metzger, geboren 1964, leitet taz am Wochenende zusammen mit Felix Zimmermann. In den Bereichen Politik, Gesellschaft und Sachkunde werden die Themen der vergangenen Woche analysiert und die Themen der kommenden Woche für die Leser idealerweise so vorbereitet, dass sie schon mal wissen, was an Wichtigem auf sie zukommt. Oder einfach Liebens-, Hassens- und Bedenkenswertes gedruckt. Von 2004 bis 2014 war er in der taz-Chefredaktion.
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14 Kommentare

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  • S
    solarfix

    Wir brauchen keine Ethikkommission zur Atomkraftnutzung! Das ist blanker Zynismus!

     

    Alle Fakten sind seit Jahrzehnten bekannt und für jedermann ersichtlich.

    Gegen Blindheit helfen auch keine Kommissionen.

  • S
    snoopy

    Merkel hat keine Entscheidungskraft! AKW Sicherheitsaufrüstung wäre zu teuer. Trotzdem, längere Laufzeiten, wäre zu kriminell. Eine Ethikkommission soll nun entscheiden. Der Buhmann ist dann in jedem Fall, die Ethikkommission. Das ist die politische Kunst von Angela Merkel-, die gibt den "Schwarzen Peter" an andere ab. was für eine erbärmliche Kreatur!

  • S
    Steffi

    "Es geht nicht mehr um das Ob, sondern um das Wie. Nicht um Ethik, sondern um Technik, Normen und Gesetze."

     

    Joahr, stimmt schon. Keine Einwände.

     

    Trotzdem ist das ja weitab davon, gesellschaftlicher Konsens geschweige denn Gesetzeslage zu sein.

    Ein möglicher Verdienst einer Ethikkommission nach Fukushima könnte ja sein, das mal so festzuhalten.

     

    Zugegeben, selbst wenn, das muss nix nützen. Der Bericht des Club of Rome ist schon 50 Jahre alt und hat nix genützt. Das kann man ja aber nicht dem Bericht vorwerfen.

    Wenn die Ethikkommission zu einem knackigen Ergebnis kommt, das Merkel gewaltig stinken wird und dass sie dann zumindest öffentlich ignorieren müsste, um sich drüber weg zu setzen, wäre das durchaus ein Fortschritt im Diskussionsstand.

  • KK
    Kris Kunst

    Metzger schreibt: "Wir brauchen keine Ethikkommission zur Atomkraftnutzung, wir brauchen ein Konzept zur flotteren Einführung der erneuerbaren Energien und zur Energieeffizienz." Ich ergänze: Das reicht nicht.

    Wenn wir nur 8 AKWs abschalten, reicht es gerade noch für den aktuellen Verbrauch. Bei 17 sieht das schon anders aus. Wenn wir dann noch die fossilen Kraftwerke abschalten, was wir aus Klimagründen eigentlich müssen, ist es ganz aus: 85% unserer Stromherstellung würden wegbrechen. Den Energiehunger eines auf Wachstum ausgerichteten Wirtschaftssystems mit all seiner Verschwendung werden wir nicht technisch und zugleich ökologisch nachhaltig stillen können. Es muss darum gehen, Strom (und Energie im allgemeinen) zu sparen. Im großen Stil. Dabei werden auch Produktionslinien geschlossen werden müssen. Das muss aber unter Vermeidung von Arbeitslosigkeit und Einkommensverlusten unten und ganz unten erfolgen. Also geht es nur mit massiver Umverteilung von oben nach unten und einer flächendeckenden Arbeitszeitverkürzung. Man sieht: Wer die Atom- und die Stromlücken-Frage ernsthaft diskutiert und zu Ende denkt, kommt in eine Debatte, wie wir unser Wirtschaftssystem umbauen müssen. Hierfür findet Ende Mai in Berlin übrigens ein großer Kongress von Attac statt.

  • J
    jps-mm

    Moratorium - ein Deal?

     

    Ich weiß - ein Schelm, der Böses dabei denkt..... Aber mir kam da so eine Idee: Eins ist klar - das Atom-Moratorium ist reine Wahlkampftaktik. Bis letzte Woche waren die AKW's in der BRD die sichersten der Welt. Jetzt muß das gesamte Sicherheitskonzept überprüft werden, weil "es geht um die Sicherheit der Menschen" (O-Ton Merkel). Damit werden doch indirekt Versäumnisse in der Vergangenheit eingeräumt. Aber sei's drum. Hier meine gedanken zum Moratorium. Könnte es nicht sein, daß es sich bei dem Atom-Moratorium wieder um einen Deal zwischen der Regierung und der Atomindustrie hinter verschlossenen Türen handelt. Um bei den besvorstehenden Wahlen nicht noch weiter in den Keller zu fahren, schlägt Schwarz-Gelb der Atomindustrie ein verfassungswidriges Moratorium vor. Durch die Verfassungswidrigkeit wird der Atomindustrie die Möglichkeit eingeräumt, auf Schadensersatz zu klagen, egal, ob die Meiler nach 3 Monaten wieder ans Netz gehen oder ob sie dauerhaft abgeschaltet bleiben. Den entstandenen Verlust bekommt die Atomindustrie vom Steuerzahler ersetzt. Zusätzlich winken ENBW und Co. noch fette Gewinne durch die "notwendige" Erhöhung des Strompreises (das alte und verlogenes Argument der AKW Betreiber beim Ausstieg aus der Kernkraft). Wie gesagt - ist nur so ein Gedanke. Aber der Atom-Lobby-Regierung in Berlin traue ich alles zu.

     

    http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.kommentar-zur-atompolitik-merkels-notstand.059ba385-d4d2-426f-a16f-efe49fbeb2df.html

     

    Der Merkel ist nicht zu trauen.

  • J
    jps-mm

    Schwarz-Gelb vor dem GAU

    von Hartmut Palmer

     

    Die atomare Katastrophe erwischt Kanzlerin Merkel sowie die Regierungsparteien CDU, CSU und FDP zum denkbar schlechtesten Zeitpunkt.

     

    Auch die Anhänger der Union sind verunsichert. Die drohende Kernschmelze im fernen Japan lässt viele an der Weisheit der Atompolitik ihrer Regierung zweifeln. Die Kanzlerin weiß das. Aber sie kommt aus der Atomfalle nicht mehr heraus. Nun plötzlich will sie die Sicherheit der Kraftwerke überprüfen lassen, Wieso, fragt der verunsicherte Wähler, braucht es einen solchen Sicherheitscheck, wenn doch alle Kraftwerke noch vor wenigen Monaten als sicher angepriesen wurden? Und was heißt überhaupt Sicherheit? Hat nicht das Beispiel Japan gezeigt, dass sich die Natur gelegentlich nicht an die Vorschriften und Sicherheits-Normen einer Regierung hält?

     

    Im Übrigen genügt ein Blick ins Archiv, um die Sicherheitsmängel zu benennen. Man muss nur die Namen der deutschen AKW-Standorte in die Google-Maschine tippen und schon sind die Störfälle der Vergangenheit wieder präsent: Krümmel, Brunsbüttel, Biblis B und Biblis A, Unterweser, Brokdorf, Neckarwestheim I und Isar I – keines der insgesamt 17 deutschen Meiler arbeitete störungsfrei. In Biblis – daran wurde an diesem Wochenende auch erinnert – wäre es 1988 fast zu einer Kernschmelze gekommen, ohne dass die Öffentlichkeit davon erfuhr.

     

    http://www.cicero.de/97.php?ress_id=4&item=6011

  • V
    Volker

    Es müsste eher ein Ethik Kommission wegen den Handlungen von Politiker und Stromkonzerne einberufen werden.

    Solange das nicht geklärt ist, sind alle anderen Kommissionen sinnlos.

     

    http://taz.de/1/zukunft/umwelt/artikel/1/liveticker-japan-3/

     

    23.55 Uhr: Ex-Bundeskanzler als Atom-Lobbyist

     

    In Österreich beschäftigte sich in einer Sondersitzung des Nationalrat mit dem Aufsichtsratsposten des ehemaligen Bundeskanzlers Wolfgang Schüssel (ÖVP) im deutschen Atomenergiekonzern RWE. Dafür bekommt er eine Million Euro für vier Jahre. Als Gegenleistung soll Schüssel etwa bei Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel darauf gedrängt haben, dass sie später aus der Atomkraft aussteigt, schreibt oe24.at. In der Sondersitzung bekräftigten unterdessen alle Parteien den Anti-Atom-Kurs Österreichs.

  • WB
    Wolfgang Bieber

    Unsere Atomkraftwerke müssen für mindestens drei Monate abgestellt werden - das gebietet das Kalkar-Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Selbst eine Entschädigung an die Konzerne erübrigt sich. Mit dem Geld können wir endlich die Erneuerbaren Energien voll unterstützen: http://bit.ly/eDxijD

  • H
    hto

    Wie kann es Ethik geben, wenn der "freiheitliche" Wettbewerb in "Wer soll das bezahlen?" und "Arbeit macht frei" bestimmt was systemrational-vernünftig ist???

     

    Nur gegen Atomkraft zu sein, während das System so ungestört weiter in Überproduktion von Kommunikationsmüll funktioniert, ist dümmlich-konfusionierte Symptomatik der gutbürgerlich-gebildeten und leicht manipulierbaren Suppenkaspermentalität auf Sündenbocksuche!!!

  • V
    vic

    Merkel wie man sie kennt. Wenn`s mal eng wird, werden "Experten"- Kommissionen beauftragt, jetzt - entgegen jeder Logik - einen Sicherheits- und Ethikrat. Als ob diesbezüglich Fragen offen wären.

    Doch wer kann schon etwas gegen Sicherheit und Ethik haben?

     

    Zeitschinden nenne ich das, und ich fürchte, sie kommt damit durch.

  • R
    reblek

    "... Weiterentwicklung der erneuerbaren Energien..." So meint er das nicht, der Herr Metzger, nicht wahr? Er meint "Weiterentwicklung der Nutzung" dessen, was "erneuerbare Energien" genannt wird. Denn an deren "Weiterentwicklung" würde der Mensch sich ganz sicher verheben. So etwas geht nur sprachlich - wenn der Mensch die Sprache falsch gebraucht.

  • JR
    Josef Riga

    Drei Merkelsche Prämissen bestimmen die Politik dieser unseligen Regierung: 1. Israel ist die einzige Demokratie im Nahen Osten, 2. Was kümmert uns (in allen anderen Belangen)unser Geschwätz von Gestern, 3. Amerika hat immer recht.

  • T
    Tasten-Punk

    Wunderbarer Kommentar! Vielen Dank Herr Metzger! Man muss wirklich fürchten, dass sich gerade auch die kirchlichen Würdenträger in einer solchen "Ethikkommission" zum Affen machen, allen voran der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland Nikolaus Schneider.

     

    Fordert gerade diesen Menschen auf, sich nicht an dieser Alibiveranstaltung von Madame Merkel zu beteiligen.

     

    Seine Vorgängerin Margot Käsmann hätte Merkel sich nicht getraut zu fragen, weil die kanzlerin hätte befürchten müssen die Leviten gelesen zu bekommen.

  • HM
    Hans Mayer

    Sie haben komplett recht, Herr Metzger, allerdings muss man befürchten, dass auch dieses allerdurchsichtigste Manöver wie bei Stuttgart S21 verfängt. Im Prinzip weiter so, jedoch einige Dekoelemente wegen der Betroffenheit usw. Die Ethikkommmission hat, anders als eine medizinische, keinerlei rechtliche Funktion. Wie soll das Votum lauten? Grundsätzlich alles in Ordnung, nur ein Ethiker bei jedem Kraftwerk räsonierend? Eine mehr oder weniger verbindliche "Empfehlung"? "Abgesegnet" von den kirchlichen Funktionären, deren parteipolische Assoziation bekannt ist? Jetzt "amtlich" festgestellt? Oder soll das Votum lauten "im Prinzip Bedenken, aber wir "brauchen" KKW für den "Umstieg""(in 50 Jahren)? Wer in der Kommission sitzt, hat vermutlich primär die Option gewählt, sich zum Narren zu machen.