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Kommentar ErbrechtsreformDie neuen Dax-Frauen

Ines Kappert
Kommentar von Ines Kappert

Die Rechtsprechung bemüht sich, die Gleichberechtigung voranzubringen. Das hat nicht nur Vorteile, denn gleichzeitig schmilzt auch das moralische Kapital der Frauen.

Bild: taz

Ines Kappert ist Meinungsredakteurin der taz.

Die Indizien mehren sich, dass Frauen nun auch in Deutschland ihren jahrhundertealten Status als das "Andere" verlieren werden. Zwar sind sie nicht gleichberechtigt, verdienen weniger Geld und übernehmen weiterhin den Großteil der pflegenden, erziehenden und putzenden Tätigkeiten. Dennoch: Insbesondere die Rechtsprechung arbeitet emsig daran, die unterschiedliche Behandlung von Mann und Frau zu beenden.

Sei es die nun geplante Reformierung des Erbrechts, die die vorwiegend von Frauen geleistete Pflege von alten und kranken Menschen auf das Erbe anrechnet, sei es die Reform des Scheidungsrechts, das von Frauen prinzipiell Selbstständigkeit verlangt und ihnen keine lebenslange finanzielle Abhängigkeit mehr vom Ehemann zugesteht. Typisch weibliche Tätigkeiten werden, wie es sich für eine kapitalistische Gesellschaft gehört, zunehmend in Geldwerte übersetzt und folglich quantifiziert. Das ist eine erfreuliche Nachricht.

Dabei bedeutet sie nicht nur Annehmlichkeiten. Denn der Status, die Kehrseite der männlichen Norm darzustellen, verlieh natürlich auch Freiheiten. Man musste nicht wissen, wie der DAX steht, oder die Zeitung lesen, um eine ordentliche Frau zu sein. Ebenso ließ es sich umgehen, vierzig Jahre lang jeden Tag und Vollzeit erwerbstätig zu sein - zumindest, wenn man der Ober- oder Mittelschicht angehörte. Das ändert sich heute. Ebenso, wie die Unschuldsvermutung, dass etwa Frauen für das Schlechte in dieser Welt weniger Verantwortung trügen, unglaubwürdig wird.

Einige reagieren daher auch eher zurückhaltend auf die Forderung, Frauen müssten sich ihr menschliches Engagement vergüten lassen. Menschen unentgeltlich zu pflegen sei doch edel. Hier liegt ein gravierender Denkfehler vor: Gesellschaftliche Teilhabe ist, wie schon Hillary Clinton auf dem Parteitag in Denver richtigstellte, nicht vom Spielfeldrand aus zu haben. Hände werden schmutzig. Insofern müssen Frauen jetzt damit zurechtkommen, dass mit ihrer fortschreitenden Gleichberechtigung das moralische Kapital, das ihnen qua Geschlecht zugesprochen wurde, zusammenschmilzt. Der Preis dafür war ohnehin viel zu hoch.

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Ines Kappert
Gunda-Werner-Institut
leitet seit August 2015 das Gunda-Werner-Institut für Feminismus und Geschlechterdemokratie der Heinrich-Böll-Stiftung.   Mich interessiert, wer in unserer Gesellschaft ausgeschlossen und wer privilegiert wird - und mit welcher kollektiven Begründung.   Themenschwerpunkte: Feminismus, Männlichkeitsentwürfe, Syrien, Geflüchtete ,TV-Serien.   Promotion in Allgemeiner und Vergleichender Literaturwissenschaft zu: "Der Mann in der Krise - oder: Konservative Kapitalismuskritik im kulturellen Mainstream" (transcript 2008).   Seit 2010 Lehrauftrag an der Universität St. Gallen.
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