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Kommentar Ende des US-ShutdownsKlarer Sieg für Obama

Bernd Pickert
Kommentar von Bernd Pickert

Kleinlaut gestehen führende Republikaner ihre Niederlage im Haushaltsstreit ein. Doch auf den US-Präsidenten warten weitere Probleme.

So sehen Sieger aus, schalalala! Bild: ap

S elten können nach einer politischen Krise Gewinner und Verlierer so klar benannt werden wie nach diesen 16 Tagen partieller Betriebsstillegung der US-Regierung. Präsident Barack Obama und seine Demokraten haben nicht nachgegeben, die Republikaner und deren tonangebender Tea-Party-Flügel haben nichts erreicht.

Kleinlaut gestand John Boehner, der republikanische Sprecher des Repräsentantenhauses, ein, den Kampf verloren zu haben. Die große Frage ist jetzt, welche Lehren die Republikaner aus dieser Niederlage ziehen – und ob die Partei als Partei überhaupt dazu in der Lage ist.

Beim letzten Mal, als eine republikanische Mehrheit im Repräsentantenhaus gegen einen demokratischen Präsidenten aufbegehrte und einen Regierungsshutdown provozierte, 1995/96 unter Sprecher Newt Gingrich gegen Präsident Bill Clinton, leitete das Gingrichs politisches Karriereende und starke Stimmverluste der Republikaner ein.

Auch diese Erfahrung hatte die Republikaner bislang davor zurückschrecken lassen, dieses Instrument erneut zu probieren. Aber der einzelne Tea-Party-Abgeordnete, der schon mit dem unverantwortlichen und letztlich auch unerfüllbaren Versprechen, die Gesundheitsreform zu stoppen, ins Parlament gewählt wurde, hat womöglich gar keinen Grund, an seiner Position zu zweifeln.

Prinzipientreue Kämpfer für die rechte Sache

Die 144 Repbulikaner, die im Haus gegen die im Senat ausgehandelte Einigung stimmten, sehen sich als standhafte, prinzipientreue Kämpfer für die richtige Sache, und nicht als die politikunfähigen Hasardeure, die sie in Wirklichkeit sind. Die republikanische Parteiführung, die schon lange auf Mäßigung drängt, gilt ihnen ebenso als Feind wie die Demokraten.

Es dürfte entscheidend sein, ob die zunehmend kritischen Stimmen aus der Wirtschaft gegenüber diesem Obstruktionskurs, der das Land in regelmäßigen Abständen an der wirtschaftlichen Katastrophe vorbeischrammen lässt, sich auch in geringerer finanzieller Wahlkampfunterstützung für diese Leute niederschlagen. Solange weiterhin jeder leidlich vernünftige Abgeordnete fürchten muss, bei den nächsten Vorwahlen einem gut finanzierten Tea-Paty-Konkurreten zu unterliegen, schaufelt die Partei weiter ihr eigenes Grab.

In gut einem Jahr werden bei den sogenannten Zwischenwahlen zur Mitte einer präsidentiellen Legislaturperiode das Repräsentantenhaus und ein Drittel des Senats neu gewählt. Wenn die Demoskopie nicht täuscht, haben die Republikaner in den letzten Wochen massiv Vertrauen eingebüßt. Das muss sich in den Wahlen nicht niederschlagen, spricht aber dafür, dass sie bis dahin nicht erneut versuchen werden, in den anstehenden Verhandlungen bis zum äußersten zu gehen.

Das hieße: Zwar ist formal der Disput nur erneut um einige Monate aufgeschoben. Aber die Chancen stehen nicht schlecht, dass in den nächsten 12 Monaten ohne das Damoklesschwert von Zahlungsunfähigkeit und selbstgemachter Rezessionsdrohung regiert werden kann.

Wenn die Regierung es bis dahin noch schafft, die massiven logistischen Probleme bei der Umsetzung der Gesundheitsreform in den Griff zu bekommen, hat sich die harte Linie Obamas, die er zu Recht als Weigerung charakterisiert hat, den Geiselnehmern noch Lösegeld zu zahlen, wirklich gelohnt.

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Bernd Pickert
Auslandsredakteur
Jahrgang 1965, seit 1994 in der taz-Auslandsredaktion. Spezialgebiete USA, Lateinamerika, Menschenrechte. 2000 bis 2012 Mitglied im Vorstand der taz-Genossenschaft, seit Juli 2023 im Moderationsteam des taz-Podcasts Bundestalk. In seiner Freizeit aktiv bei www.geschichte-hat-zukunft.org
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2 Kommentare

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  • L
    lowandorder

    Ja, Mensch Meier - stimmt.

     

    "…Gestalten aus Fischleim und Bibeltexten…"

    so sind se, weltweit als Raubwaspsen et al unterwegs.

     

    "Empört euch; erhebt euch" - keine Chance,

    aber sie ergreifen!

  • MM
    Mensch Meier

    Verlierer des Szenarios sind die Menschen aller Länder.

     

    Gewinner sind die korrupten Elitepolitiker, die hintenrum für die selben Firmen Lobbyarbeit umsetzen, aber vornerum mit schlechter Politik und propagandistischer Feinarbeit das Land spalten.

     

    Gewinner sind die Journalisten aller Länder, die entweder gezielt die Menschen täuschen oder aus Unwissenheit mit irgenwelchen Links/Rechts-Guten/Schlechten-Demokraten/Republikaner-Obama/Boehner-Szenarien die Menschen weiterhin unaufgeklärt lassen und dafür noch Geld „verdienen“. Gerne scheint die taz das Gefasel von „Kampf verloren“ aufzugreifen.

     

    Verlierer in den USA sind Menschen, die der wahnsinnigen Steuerverschwendung und staatlich geführten Umverteilung im Namen von „Gerechtigkeit und Demokratie“ entgegentreten wollen und dafür als „Rechte“ und „Radikalos“ beschimpft werden.

     

    Gewinner ist keineswegs Präsident Obama, der, um andere Politiker als Radikale darzustellen, den Kollaps seines Landes mitriskiert und sein Land offensichtlich überhaupt nicht im Griff hat.

     

    Gewinner und Verlierer zugleich ist die Tea-Party-Bewegung, die sich zwar auch in den negativen Schlagzeilen sieht, aber durchaus immer mehr als eine mögliche nationale Kraft zeigt, die das System hinter Kriegsverbrecher, Massenmörder und Volksverräter Obama entlarvt.

     

    Übrigens, liebe taz: „Chefin des Front National (FN), Marine Le Pen, ist laut einer Umfrage beliebter als der französische Staatspräsident François Hollande“. Wollen wir jetzt zusammen den Großteil der Franzosen rechte Spinner nennen oder kommen wir langsam mal auf den Boden der Tatsachen?