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Kommentar EU-UltimatumSündenbock Griechenland

Kommentar von Hermannus Pfeifer

Europa hat Griechenland wirtschaftlich ein Ultimatum gestellt. Doch die Staatsverschuldung Athens ist niedriger als in Italien. Das Land wird kaputtgespart.

Europa, dessen Name griechischen Ursprungs ist, stellt ausgerechnet Griechenland ein einfallsloses Ultimatum. Um seinen Euro zu retten. Sündenbock Hellas soll einfach noch mehr sparen.

Dabei drohte seit Anbeginn Euroland von anderen, inneren Widersprüchen zerrissen zu werden. Bei der Wirtschaftskraft, den Sozialsystemen und Staatsschulden ziehen sich tiefe Risse durch unseren Kontinent. Die kulturelle Wiege Europas ist da mehr Opfer als Täter. Nicht allein die wirtschaftsliberalen Eliten zwischen Korfu und Rhodos wollten eine EU mit Hartwährung - auf Kosten anderer. Nun sollen Krankenpfleger in Athen, "kleine" Beamte in Sparta und Schüler in Thessaloniki die Zeche zahlen.

Griechenlands Regierungen haben geschummelt wie andere auch. Mit Hilfe von globalen Investmentbanken wurden Schulden verschoben wie in Italien und an der Statistik herumgebastelt wie in Deutschland. Öffentliche Milliarden lösten sich derweil in Olympiaträumen auf und verrauchten in allsommerlichen privaten Brandrodungen. Reiche und Konzerne profitierten wie andernorts von üppigen Prestigeprojekten und "billigen" Arbeitskräften aus den neuen EU-Ländern. Vor diesem Hintergrund fällt den anderen EU-Regierungen nichts Besseres ein als Eitelkeiten ("der IWF soll draußen bleiben"), gnadenlose Sparultimaten und Dramatisierung.

Griechenland dient als Sündenbock für ein angeschlagenes Europa. Die Staatsverschuldung Athens ist niedriger als in Italien und das aktuelle Finanzloch ist nicht tiefer als in Spanien oder Irland. Die Folge der mangelhaften Solidarität in der Europäischen Union ist ein Teufelskreis: Jeder Kredit, den eine griechische Geschäftsfrau oder eine Gemeinde aufnimmt, kostet mittlerweile fast fünf Prozentpunkte mehr als in Nordeuropa. Griechenlands Wirtschaft wird auf diese Weise kaputtgespart.

Gewiss, Griechenland muss raus aus der Schuldenfalle, aber nicht mit Ultimaten, sondern mit handfesten Hilfen aus Brüssel. Und es muss sich selbst helfen. Nicht allein mit (haltlosen) Sparappellen, sondern zusätzlichen Einnahmen aus Luxusmehrwertsteuer, Bekämpfung des Schwarzgeldes und Steuern für Banken und Reiche. Selbst in der Steuerfluchtburg Schweiz müssen Wohlhabende fast den doppelten Steuersatz an Staat und Gesellschaft überweisen wie in Griechenland.

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2 Kommentare

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  • DM
    Dorothea Marchetti

    Griechenland wird die Souveränität in bezug auf Finanzen, Haushalt und Wirtschaft aberkannt. Dazu der FDP Abgeordnete Chatzimarkakis:

    ehrlich gesagt, die Griechen sind es gewohnt, in ihrer Geschichte fremde Regierungen zu haben. Sie waren sehr lange Zeit, weit über 300 Jahre, im Osmanischen Reich und kennen das, wenn man fremd regiert wird. Ich will das jetzt hier nicht hochjubeln, ich will nur sagen, ein bisschen kennt die griechische Seele das und sie wäre jetzt nicht überrascht.

    Dank der Spekulationen hat die EU Griechenland in den Würgegriff genommen. Morgen kann es Spanien oder Portugal sein. Und wann Deutschland?

  • IN
    Ihr Name Peter Manske

    Die Griechen sind nicht schlimmer in ihrer Politik als die anderen Eurofritzen. Sie haben ihre finanziellen Schweinereien halt nur zu offen und schamlos getrieben. In einer Zelle sitzen zwei Moerder. Der eine schimpft den anderen du Moerder