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Kommentar Diplom-IngenieurBildungsdebatte mit Diplom

Martin Kaul
Kommentar von Martin Kaul

Die Debatte um den akademischen Grad des Diplom-Ingenieurs hat Potenzial. Jetzt kracht es nämlich in den Uni-Chefetagen, denn das Reformdesaster an den Unis ist gewaltig.

E ine Debatte über den akademischen Grad des Diplom-Ingenieurs hätte man vor wenigen Jahren noch eher auf den hinteren Bildungsseiten von Tageszeitungen gesucht. Wieso steht dieser Kommentar heute auf der Seite eins?

Der Präsident der neun führenden Technischen Universitäten würde gerne wieder den Titel des Diplom-Ingenieurs verleihen. Ja. Und weiter? Es ist doch noch nicht einmal klar, ob sich hinter Ernst Schmachtenbergs Idee lediglich ein plumper Etikettenschwindel verbirgt. Und weiter? Die neue Bildungsrepublik versetzt das trotzdem in Aufruhr. Das ist bedeutsam genug.

Denn das Projekt des Uni-Riesen kommt zu einer Zeit, in der die bildungspolitische Debatte bereits ihren Zenit erreicht zu haben schien. Die Ausdauer der protestierenden Studierenden hat in den letzten Monaten ein Klima der grundsätzlichen Kritik geschaffen. Die Hochschulreformer in den Verbänden und an den Universitäten sind nachhaltig verunsichert. Selbst Bildungsministerin Annette Schavan und Kanzlerin Angela Merkel kommen nicht mehr umhin, das Desaster an den Unis zu beachten.

Vor diesem Hintergrund hat die erregte Debatte um den Grad des Diplom-Ingenieurs das Potenzial, wie ein erster Dominostein viele müßig gebaute Mauern der letzten Jahre einfach umfallen zu lassen. Jetzt meckern nicht die Studis. Jetzt kracht es in der Chefetage. Denn selbst wenn die Technik-Unis vornerum zu den Hochschulreformen stehen: Faktisch beleuchten sie mit ihrem Vorstoß, dass in den vergangenen zehn Jahren eine bildungspolitische Brachialreform an den Hochschulen durchgesetzt wurde, bei der es an allen Enden versäumt wurde, diejenigen mitzunehmen, die sie betrifft.

Die Debatte um den Diplom-Ingenieur steht daher für weitaus mehr. Es geht nicht um die Ingenieure, es geht ums Ganze: Die Hochschulen sind auf Seite eins angekommen.

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Martin Kaul
Reporter

4 Kommentare

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  • D
    Diplomer

    Ein Ingenieur muss der Erwartung und der Pflicht gerecht werden Verantwortung für sich und seine Arbeit übernehmen zu können. Ingenieure in aller Welt entwickeln und bauen brisante und oft sehr komplexe Strukturen und Maschinen. Angefangen bei Fortbewegungsmitteln wie Automobil, Flugzeug, Bahn hingehend zu Infrastruktur wie Brücken, Gebäuden, Anlagen zu Großanlagen, wie (Atom)kraftwerken, Raffenerien und und und...

    Von vielen dieser Dinge geht erhebliche Gefahr für Leib und Leben aus - oft ist die Vielzahl von Gefahren nicht einfach zu erkennen, oft ist fundiertes, weitgreifendes Wissen von Nöten!

     

    Die Liste ist allumfassend und diese Leute müssen die best mögliche Ausbildung haben. Es genügt nicht das nötigste zu wissen und den Blick nicht über den Tellerrand heben zu können. Es muss ein umfassendes Verständnis vorhenden sein und es wird ein solides physikalsches Weltbild benötigt. Ohne dies wird es für einen Ingenieur nicht möglich sein in letzter Konsequenz für all seine an ihn gestellten Aufgaben volle Verantwortung nehmen zu können - dies ist es, was brisant ist. Der Mensch muss die Verantwortung übernehmen - kann diese aufgrund einer spärlichen Ausbildung und viel zu hoch gesetzer Erwartung gar nicht im Detail abschätzen.

     

    Einen Ingenieur mir rudimentärer Ausbildung auf die Welt loszulassen - vollgestopft mit gefährlichstem Halbwissen - ist nicht nur unverantwortlich gegenüber der Gesellschaft es ist nicht zu letzt ein Schnitt ins eigene Fleisch. Noch ist die Industrie gut mit top-ausgebildeten Diplomingenieuren aufgestellt - aber was ist in 10 Jahren wenn auf einmal nur noch spärlich ausgebildete, auf das nötige zusammengestutzt - die Industrie beherrschen - schon heute nimmt der Anteil dieser naturgemäß stark zu und es ist teilweise erschreckend mit welcher Inkompetenz man es zu tun hat. Diese halbgaren werden von jedem Techniker verhöhnt und in die Tasche gesteckt- sie sind nur noch ein blasses Abbild derer, die uns auf den technischen Stand heutiger Tage gebracht haben - nichts weiter.

     

    Ein entsetzer Diplomer, der sich freut und glücklich schätzt noch ein Diplom hat machen zu dürfen.

  • M
    Micha

    Das: "Faktisch beleuchten sie mit ihrem Vorstoß, dass in den vergangenen zehn Jahren eine bildungspolitische Brachialreform an den Hochschulen durchgesetzt wurde, bei der es an allen Enden versäumt wurde, diejenigen mitzunehmen, die sie betrifft." - ist nur teilweise richtig.

     

    Hinterher ist man bekanntlich immer schlauer.

     

    Vor allem der Großteil Professoren bundesweit hat sich erst gar nicht an der Debatte um die Einführung der neuen Studienordnung beteiligt.

    Sie haben sich weder an der Gestaltung der Form noch der Inhalte und damit der praktischen Umsetzung wesentlich mitbeteiligt, sondern die Einführung der Politik und den hierin führenden "Bildungsidelaisten", Theoretikern und sonstigen Quasi-Reformern überlassen.

    Dieses plötzlich aufkommende Verantwortungsbewusstsein der Professoren ist wenigstens merkwürdig, es klingt so, als würden, jetzt, nachdem ihnen selbst daraus Nachteile in universitärer Praxis daraus erwachsen, die Kindlein anfangen zu weinen, was ihnen durch die Reform bloß angetan worden wäre.

     

    Solange alles halbwegs erträglich war, gab es diese Reaktionen nicht.

     

    Ich verstehe den Jammer darüber, aber nicht die Ignoranz, mit der also in den vergangenen 10 (-20) Jahren geschwiegen und stillgehalten wurde; denn bedeutete das nicht auch ein gewisses Einverständnis mit der Reform?

     

    Nach und im Zuge einer - durchaus - zu kritisierenden Umsetzung und Praxis wird jetzt ein vollkommenes Zurückrudern gefordert!

    Gleichberechtigung der Abschlüsse!

    Fordert man endlich die Einbeziehung der - bis dato - "Vergessenen"!

     

    Da hätte man sich allseits, und dieser Vorwurf geht an alle jene "Vergessenen" wesentlich früher bzw. intensiver an der politischen Diskussion und Verfahrenspraxis beteiligen müssen, immerhin ist die Idee bereits 20 Jahre alt.

    Der "neue" Konsens der Diskussion erhält so einen Scheincharakter, eine Stellvertreterfunktion für die eigenen Versagen der Vergangenheit - wovon ich die Studenten aber weitesgehend ausnehme; sie geben vielleicht auf ihre Art und Weise gegenwärtig das Beste.

     

    Es wäre insofern konstruktiver, sich jetzt insgesamt an einer vernünftigen Neuregelung zu beteiligen, die die Vorteile des neuen Studiensystems (ein)sieht und weiterentwickelt und mit sinnvollen Ergänzungen ausstattet, anstatt alles über den Haufen werfen zu wollen.

  • A
    ARE

    "[..] bei der es an allen Enden versäumt wurde, diejenigen mitzunehmen, die sie betrifft."

     

    Falsch! "Betroffen" waren Politiker, Ministerialbeamte, Dekane, Geschäftsführer, Institusleiter, Personalverantwortliche also die "Chefs" bzw. "Creme de la Creme" mit dem Ziel: "Meine(!) schöne neue Bildungswelt".

     

    Ebenfalls "betroffen" waren all diejenigen, die allen Ernstes aus diesen erlauchten Reihen Innovation in angemessener Art und Weise erhofft haben.

     

    Wer erwartet von Leuten, die über Fortschritt nur schwafeln, denselben zu gestalten? Was kann man tun, damit man nicht immer so enttäuscht wird?

     

    Mein Vorschlag: allen beteiligten Entscheidern wird für mindestens 2 Semester der dicke Dienstwagen entzogen, d.h. sie müssen mit Bus und Bahn zwischen Arbeitsstätte und WG fahren, in der sie sich mit vier anderen 80qm Wohnfläche teilen. Mittagsessen gibt es nur in der Mensa. Das "erdet"! :-)

  • F
    Feinfinger

    Der Dipl.-Ing., gleich ob FH, TH oder Uni war ausgereift und effizient. Es gab Aufstiegschancen für talentierte Menschen auf dem 2. Bildungsweg (Fachhochschulreife nach dualer Berufsausbildung => Fochhochschulstudium) eine Chance, die gerne und gut angenommen wurde. Die Studiengänge an TH und Uni hatten ein hohes Niveau an Theorie und Praxis und mit Projekt- und Studienarbeiten wurde selbstständiges Lernen und Arbeiten ermöglicht. In den nichttechnischen Nebenfächern wurde teilweise auch die Ingenieursarbeit auf die Gesellschaft reflektiert. Mit Bachelor und Master hält eine Verschulung und Beschleunigung des Lernens statt. Reinfressen, rauskotzen, Ellbogen einsetzen, abgrasen, weiterziehen; darauf wird es hinauslaufen. Wie da Persönlichkeiten geformt werden, macht mich eher skeptisch! Sicher war auch beim Diplom-Studiengang einiges verbesserungswürdig, aber mit dieser Reform findet in allen Belangen eine Verschlechterung statt. Die Initiative der TU9 ist begrüßenswert.

     

     

    PS: Am Rande: Was sagen eigentlich die Gleichstellungsbeauftragten, die früher (zurecht) für die Bezeichnung Dipl.-Ingenieurin gekämpft haben? Gibt es morgen die Bachelorette und die Masterin?