Kommentar Diplom-Ingenieur: Bildungsdebatte mit Diplom
Die Debatte um den akademischen Grad des Diplom-Ingenieurs hat Potenzial. Jetzt kracht es nämlich in den Uni-Chefetagen, denn das Reformdesaster an den Unis ist gewaltig.
E ine Debatte über den akademischen Grad des Diplom-Ingenieurs hätte man vor wenigen Jahren noch eher auf den hinteren Bildungsseiten von Tageszeitungen gesucht. Wieso steht dieser Kommentar heute auf der Seite eins?
Der Präsident der neun führenden Technischen Universitäten würde gerne wieder den Titel des Diplom-Ingenieurs verleihen. Ja. Und weiter? Es ist doch noch nicht einmal klar, ob sich hinter Ernst Schmachtenbergs Idee lediglich ein plumper Etikettenschwindel verbirgt. Und weiter? Die neue Bildungsrepublik versetzt das trotzdem in Aufruhr. Das ist bedeutsam genug.
Denn das Projekt des Uni-Riesen kommt zu einer Zeit, in der die bildungspolitische Debatte bereits ihren Zenit erreicht zu haben schien. Die Ausdauer der protestierenden Studierenden hat in den letzten Monaten ein Klima der grundsätzlichen Kritik geschaffen. Die Hochschulreformer in den Verbänden und an den Universitäten sind nachhaltig verunsichert. Selbst Bildungsministerin Annette Schavan und Kanzlerin Angela Merkel kommen nicht mehr umhin, das Desaster an den Unis zu beachten.
Vor diesem Hintergrund hat die erregte Debatte um den Grad des Diplom-Ingenieurs das Potenzial, wie ein erster Dominostein viele müßig gebaute Mauern der letzten Jahre einfach umfallen zu lassen. Jetzt meckern nicht die Studis. Jetzt kracht es in der Chefetage. Denn selbst wenn die Technik-Unis vornerum zu den Hochschulreformen stehen: Faktisch beleuchten sie mit ihrem Vorstoß, dass in den vergangenen zehn Jahren eine bildungspolitische Brachialreform an den Hochschulen durchgesetzt wurde, bei der es an allen Enden versäumt wurde, diejenigen mitzunehmen, die sie betrifft.
Die Debatte um den Diplom-Ingenieur steht daher für weitaus mehr. Es geht nicht um die Ingenieure, es geht ums Ganze: Die Hochschulen sind auf Seite eins angekommen.
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