Kommentar Deutsche Nationalmannschaft: Den Druck müssen sie jetzt aushalten
Der deutsche Fußball ist auf dem konjunkturellen Höhepunkt. Die Fallhöhe für die Spieler ist also hoch.
D ie DFB-Elf hat noch keine einzige EM-Partie gespielt und doch ist ihr schon ein Titel sicher: der des virtuellen Europameisters. Nie waren die Erwartungen im Lande größer. Denn der deutsche Fußball befindet sich auf dem konjunkturellen Höhepunkt. Deutschland ist der Maßstab. Das ist neu. Das ist aufregend. Und das ist gefährlich.
Das Team spielt einen Fußball, von dem die Fans immer geträumt haben: schnell, gefährlich und spektakulär. Es geht nicht mehr nur darum, sich mit den Großen des Fußballs zu messen. Es geht darum, gegen sie zu bestehen. Die spielerischen Mittel hat die Nationalelf, keine Frage, aber kann sie mit dem Druck umgehen, der nun auf ihr lastet? „Die Republik glaubt an uns“, verkündet Kapitän Philipp Lahm. „Wir wollen das Ding gewinnen, aber wir müssen gut starten, damit der Druck, den wir uns selber machen, von uns abfällt“, hat Torwart Manuel Neuer gesagt.
Sie wissen um die historische Mission. Und sie wissen um die Gefahr des Scheiterns. Schon in der Vorrunde könnte es passieren, Holland und Portugal sind mächtige Gegner. Aber wer zeigen will, dass er nicht mehr nur Mitläufer, sondern Taktgeber ist, muss diese Brocken aus dem Weg schnipsen. Große Mannschaften beweisen sich in großen Turnieren. Nur große Mannschaften gewinnen sie auch.
ist Sportredakteur der taz und während der EM in Polen und mit dem deutschen Team unterwegs.
Bundestrainer Joachim Löw spricht von der Last der guten Tat. Die Fallhöhe sei hoch, aber seine Spieler seien schwindelfrei, sagt er. Die guten Taten hat Löw selber vollbracht. Er hat aus einem Team, das sich meist nur mit dem Titel „Turniermannschaft“ schmücken konnte, was für Ausdauer, Zähigkeit und oft auch Rumpelfußball stand, etwas geformt, das es nur im Ausland zu geben schien: Plötzlich trugen technisch versierte Kicker den Adler auf der Brust, sie zeigten schnellen Kombinationsfußball und brauchten nicht mehr drei Sekunden, um den Ball weiterzupassen, sondern nur noch eine. Die Fans dankten es dem Team mit Emotionen.
Verglichen mit heute war die mentale Belastung vor der WM 2010 winzig. Die junge Mannschaft startete relativ unbeschwert in dieses Turnier. Diese Gelassenheit gipfelte in bisweilen rauschhaften Zuständen auf dem Platz. Zwei Jahre sind seitdem vergangen, in denen das Team noch einmal gereift ist und sich nach Aussage aller Spieler und Trainer verbessert hat.
Sie sind nicht vorsichtig und zögerlich, nein, sie spielen ganz bewusst mit den Muskeln, weil sie sich stark fühlen. Diese EM ist eine EM mit Titelansage. Das kann ins fußballerische Himmelreich führen. Oder ins Verderben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
BSW-Chefin im ZDF
Wagenknecht macht BND für Irrtum verantwortlich
Keine Konsequenzen für Rechtsbruch
Vor dem Gesetz sind Vermieter gleicher
Elon Musk torpediert Haushaltseinigung
Schützt die Demokratien vor den Superreichen!
Fragestunde mit Wladimir Putin
Ein Krieg aus Langeweile?
Kretschmer als MP von Linkes Gnaden
Neuwahlen hätten der Demokratie weniger geschadet