Kommentar Datenschutz: Der Hüter der Monsterspeicher
Der Datenschutz in der Wirtschaft ist komplett aus dem Ruder gelaufen. Doch auch die Politik ist gefragt, wenn es darum geht, die Privatsphäre ihrer Bürger zu schützen.
Veit Medick ist Inlandsredakteur der taz.
Datenhändler verscherbeln in großem Stil heimlich gespeicherte Kundendaten: Das ist ein weiteres Beispiel dafür, dass der Datenschutz in der Privatwirtschaft komplett aus dem Ruder gelaufen ist. Der Reiz des Reibachs scheint bei vielen Unternehmern, die vorwiegend mit Verbraucherdaten hantieren, inzwischen jegliche Sensibilität zerstört zu haben, wie mit persönlichen Angaben umzugehen ist.
Verantwortlich sind natürlich in erster Linie kriminelle Firmenchefs. Doch Schuld an dem Missstand ist auch ein vollkommen veraltetes Bundesdatenschutzgesetz, das ungezügelten Adresshandel seit Jahren leicht möglich macht, weil es Grauzonen beinhaltet, die die Firmen leicht ausnutzen können. Außerdem sind die deutschen Datenschützer schlecht ausgerüstet. Sie sind schlicht nicht in der Lage, die Privatwirtschaft in einem angemessenen Umfang zu kontrollieren.
Daher ist es gut, dass Vertreter aller Parteien die Regelungen verschärfen und die Ressourcen der Kontrolleure verstärken wollen. Fahrlässig ist allerdings, wenn die Bundesregierung angesichts der Firmenskandale den Eindruck zu erwecken versucht, Datenmissbrauch sei allein ein Problem der Wirtschaft.
Dort sind zwar rund 90 Prozent der persönlichen Angaben gespeichert. Doch ein Blick allein auf die Zahlen wird dem Problem nicht gerecht. Den Zugriff auf die weitaus sensibleren Daten hat sich nämlich längst der Staat gesichert. Und während die Wirtschaft nach Konto- und Adressdaten lechzt, um Profit zu schlagen, verschieben Monsterspeicher wie DNA-Register oder Maut-Daten, Anti-Terror-Datei oder Vorratsspeicherung die rechtsstaatlichen Grenzen. Die Wirtschaft jedenfalls trägt nicht die Verantwortung dafür, dass heute die Frage, wo Verdacht anfängt und Unschuldsvermutung aufhört, nicht mehr eindeutig zu beantworten ist.
Auch was die Sicherheit angeht, ist der Staat nicht unbedingt Trendsetter. Denn nur, weil Beamte das Tor hüten, sind die zentralen Speicher noch lange nicht ausreichend geschützt: In Großbritannien gehen dem Staat in schöner Regelmäßigkeit Datensätze über die Bevölkerung verloren und landen in der Öffentlichkeit.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!