Kommentar Datenpanne in Großbritannien: Wenn Datenschutz zum Witz wird
Die Affäre um verschwundene Daten wird Gordon Brown schaden. Mit Stelleneinsparungen hat er für eine überlastete Behörde gesorgt, in der auf Sicherheitsvorkehrungen verzichtet wird.
N atürlich kann der britische Schatzkanzler Alistair Darling persönlich nichts dafür, dass seiner Steuerbehörde die vertraulichen Daten der halben Nation abhanden gekommen sind. Aber nach der Krise um die Hypothekenbank Northern Rock, der die Steuerzahler mit 24 Milliarden Pfund unter die Arme greifen müssen, gilt er als Risiko. Bei der traditionellen Kabinettsumbildung im kommenden Sommer wird er seinen Stuhl räumen müssen.
Ralf Sotscheck ist taz-Korrespondent für Großbritannien und Irland mit Sitz in Dublin.
Auch Premierminister Gordon Brown schadet die Panne. Er hat im Jahr 2004, als er Schatzkanzler war, die Steuerbehörde und das Zollamt zusammengelegt, um 25.000 Stellen einzusparen. Das Resultat ist eine überlastete Behörde, in der jeder kleine Beamte Zugang zu vertraulichen Daten hat und aus Zeitmangel auf Sicherheitsvorkehrungen verzichtet. So verkommt Datenschutz zum Witz.
Anders als seinem Vorgänger Tony Blair, der mangelnde Substanz mit Charme, Rhetorik und einem Grinsen übertünchte, stehen Brown diese Eigenschaften nicht zur Verfügung. Sollte er seines Rufs als kompetenter Staatschef verlustig gehen, bleibt nicht viel von ihm übrig. Ein positiver Aspekt der Affäre ist, dass dadurch der Widerstand gegen Labours Lieblingsprojekt, die Personalausweise mit biometrischen Daten, angestachelt wird.
Brown will nach wie vor daran festhalten: Die Informationen seien in sicheren Händen, meint er, da gemeinsam mit den Personalausweisen Gesetze verabschiedet werden sollen, die für Beamte eine Gefängnisstrafe von bis zu zwei Jahren für die "unbefugte Weitergabe" vorsehen. Wer die Daten physisch oder elektronisch manipuliere, müsse sogar mit zehn Jahren Haft rechnen.
Diese Beruhigungsversuche sind lachhaft. Angeblich sollen die Ausweise ja Schutz vor Terrorismus bieten. Aber wer zu Selbstmordattentaten neigt, wird sich durch eine drohende Gefängnisstrafe nicht abschrecken lassen. Und die Ärzte, die im Sommer Attentate in London und Glasgow verüben wollten, haben gezeigt, dass man auch Behörden wie den Nationalen Gesundheitsdienst durchaus unterwandern kann.
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