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Kommentar Costa RicaAbstimmung als Vorbild

Kommentar von Nikolai Fichtner

Trotz des knappen Ergebnisses ist es wichtig, dass die Bevölkerung von Costa Rica über das Handelsabkommen mit den USA abstimmen darf.

Am Ende haben die Globalisierungskritiker verloren. 51,6 Prozent stimmten am Sonntag in Costa Rica für ein Freihandelsabkommen mit den USA, 48,4 Prozent dagegen. Doch unabhängig von seinem Ausgang ist das Referendum von Costa Rica ein gutes Zeichen. Denn endlich bekam Handelspolitik die Aufmerksamkeit, die sie verdient.

Über Monate hinweg war Handelspolitik das beherrschende Thema in Costa Rica, bemerkenswerte 60 Prozent beteiligten sich am Referendum. Bei bilateralen Abkommen sind bislang Verhandlungen im kleinen Kreis üblich, meist folgt die Einigung auf den Vorschlag des mächtigsten Partners, in diesem Fall der USA. Bei der feierlichen Unterzeichnung beschwört man dann die Verbundenheit der beteiligten Staaten. Die Parlamente dürfen schließlich den kiloschweren Papierberg ratifizieren. Über den Vertrag selbst und seine Auswirkungen auf die Wirtschaftspolitik wird dabei kaum geredet. Kein Wunder: Schließlich sind Handelsabkommen dazu da, den Spielraum nationaler Politik einzuengen. Mit dem Abbau von Zöllen, Freihandel im klassischen Sinn, haben sie nur noch wenig zu tun.

Die neue Generation der Handelsabkommen betrifft zentrale Fragen der Politik: Dürfen Gesundheitskassen gezwungen werden, nur noch patentgeschützte Arzneimittel zu verwenden, auch wenn preiswerte Generika verfügbar sind? Sollen Kommunen verpflichtet werden, Aufträge für ausländische Konzerne auszuschreiben, auch wenn sie lokale Anbieter bevorzugen möchten? Muss eine Regierung ihren Telekommunikationsmarkt öffnen, auch wenn die Bevölkerung mit dem Staatsmonopolisten zufrieden ist? Die knappe Mehrheit der Costa Ricaner hat diese Fragen mit Ja beantwortet. Aber sie wurde immerhin gefragt.

Nächste Woche wollen die Regierungschefs der Europäischen Union in Lissabon einen Vertrag durchwinken, der tief in das Alltagsleben der Bürger eingreift: den EU-Reformvertrag. Sie sollten sich Costa Rica zum Vorbild nehmen und die Bürger abstimmen lassen - auch wenn das Ergebnis am Ende ähnlich knapp wäre.

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1 Kommentar

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  • L
    Lars

    Man darf nicht davon ausgehen, dass hier in Costa Rica mit klaren Karten gespielt wurde. In vielen Firmen, wurden die Angestellten unter Druck gesetzt, dass sie ja für das Abkommen stimmen. Der Staat hat massiv Angst geschürt davor, dass Costa Rica isoliert sein würde. Die USA nicht zu vergessen. Trotz wenig Geld und keinem Medienmonopol im Hintergrund, haben wir immerhin 48% erreicht.