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Kommentar Contra PendlerpauschaleSubvention für reiche Umweltsünder

Kommentar von Ralph Bollmann

Das Karlsruher Urteil ist ungerecht. Denn wer aufgrund eines geringen Einkommens keine Steuern zahlt, geht bei der Pendlerpauschale leer aus.

A uf diesen Crash in Karlsruhe hat die große Koalition gezielt zugesteuert. Dass Arbeitswege unter 20 Kilometern der Privatsphäre zuzurechnen sind, vom 21. Kilometer an aber plötzlich wieder zu Berufsfahrten mutieren - das hat schon bei der Verabschiedung des Gesetzes niemand verstanden, und den Verfassungsrichtern geht es jetzt genauso. Damals fehlte der Mut, die Pendlerpauschale gleich ganz abzuschaffen. Die große Koalition sollte die Chance des Richterspruchs nutzen, das endlich nachzuholen - und zu beweisen, dass eine rationale und langfristig orientierte Politik auch in Zeiten des hektischen Krisenmanagements noch eine Chance hat.

Bild: taz

Ralph Bollmann ist Leiter des Parlamentsbüros der taz.

Denn anders, als ihre Fürsprecher gern behaupten, ist die Pauschale keineswegs eine soziale Wohltat. Wer etwa schlecht bezahlt im Callcenter jobbt, noch dazu Familie hat und deshalb keine Einkommenssteuer zahlt, der bleibt auf seinen Fahrtkosten nach wie vor sitzen.

Ein Frankfurter Banker, der von seiner weit entfernten Taunusvilla täglich in die City fährt, bekommt hingegen jährlich bis zu 2.000 Euro hinterhergeworfen - Geld, das er angesichts seiner drohenden Entlassung vorerst auf dem Konto parken wird.

Das relativiert auch den Jubel, die Karlsruher Entscheidung wirke wie ein Konjunkturprogramm. Sie tut es genauso wenig wie eine allgemeine Steuersenkung. Im Gegenteil: Das Geld fehlt im Zweifel, um wirkungsvollere Maßnahmen gegen die Rezession zu finanzieren.

Als die CSU im Frühsommer ihre Pendlerkampagne entfachte, näherte sich der Benzinpreis der Marke von 1,50 Euro. Heute bewegt er sich, in umgekehrter Richtung, auf einen Euro zu. Das allein zeigt die Kurzatmigkeit dieser Debatte. Langfristig bleibt wahr, dass tägliches Pendeln über große Entfernungen in Zeiten knapper Energieressourcen keine Zukunft hat. Das sollte der Staat klarmachen, statt es mit Subventionen abzupolstern.

Wer teuer in der Innenstadt wohnt, bekommt seine Mietkosten schließlich auch nicht vom Staat erstattet. Das ist auch richtig so. Denn die Wahl des Wohnorts ist Privatsache, nicht Gegenstand des Steuerrechts.

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5 Kommentare

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  • M
    Mathias

    In der taz liest man ja immer mal wieder solche redaktionellen Beiträge. Ob es nun um vermeintlich staatliche Stützung des Managerporsche oder eben um obiges Thema geht, alles ist bewusst provokant. Ich denke das ist Kalkül des Autors, denn immerhin ist seiner Dienststellung eine gewisse Intelligenz zu unterstellen, so dass ihm bewusst sein sollte, was für einen Blödsinn er schreibt.

    Fragt sich also wozu das Ganze? Sollen aus den so provozierten Kommentaren irgendwelche Rückschlüsse auf die Volksmeinung gezogen werden, um sich dann vieleicht am Mainstream zu orientieren?

  • R
    RGR

    Wenn ich das Urteil halbwegs verstanden habe, dann ist die korrekte Reaktion darauf, die Pendlerpauschale ab dem ersten Kilometer wieder einzuführen, aber auf eine Höchstentfernung zu beschränken. Denn es wird doch geurteilt, dass die Entfernung umso eher berufsbedingt ist, umso kürzer sie ist. Wenn das so umgesetzt wird, wird der CSU das Lachen vergehen. In Bayern werden doch durch die Metropolisierung viele Menschen zum Fernpendeln gezwungen, und die Klientel der CSU lebt nunmal auf dem flachen Land.

  • P
    pitter

    Mit anderen Worten: Sie fordern, bei jedem Arbeitsstättenwechsel mit umzuziehen. Heute in Hamburg, dann versetzt mich die Firma nach Esslingen oder München. Also jedesmal neue Wohnungssuche, auch eine andere Arbeitsstelle für den/die PartnerIn, evtl. Kinder aus der Schule ab- bzw. anmelden. Dazu passt dann nur noch das Nomadenbüro in der Firma.

    Klasse, Herr Bollmann.

    Mein Vorschlag: Irgendwo wohnen und - wie bei jedem Handwerker oder Servicebetrieb üblich - die durch Fahrten zu Arbeitsplatz entstehenden Kosten nicht pauschal, sondern in nachgewiesener Höhe abrechnen. Entweder beim Arbeitgeber, der es dann als Aufwendungen in seine Steuerabrechnung mit aufnimmt, oder aber direkt mit dem Finanzamt. Dann wird sich die Diskussion so oder so bald erledigt haben

  • BK
    Barbara Kirsch

    Lieber Ralph Bollmann,

     

    Du schreibst von armen Jobbern in Callcentern und reichen Bankern. Was ist mit den Leuten dazwischen? Die beispielsweise als Verkäuferin, Angestellte oder Beamte im einfachen oder mittleren Dienst arbeiten? Die in der Kohl-Ära angemeckert wurden, daß sie gefälligst mobil sein und sich einen Arbeitsplatz nicht nur am Wohnort suchen sollen. Die in kleinen Orten mit wenig Arbeitsplätzen wohnen. Was ist mit denen? Sollen die alle in die große Stadt ziehen? Die Ballungszentren zum endgültigen Moloch machen? Den Job schmeißen, um nicht mehr fahren zu müssen?

     

    Ist es wirklich zuviel verlangt, wenn der Staat eine kleine Beihilfe in Form der Pendlerpauschale zahlt? Als Anerkennung dafür, daß man mobil ist. Daß man leider Auto fährt, weil es gar keine Bus- und Bahnverbindungen gibt, den Job aber trotzdem macht? Daß man nicht zu denen gehört, die nur um die Ecke gehen müssen, um zur Arbeit zu kommen, sondern täglich ein oder zwei Stunden durch die Gegend gondelt, um nicht arbeitslos zu sein?

     

    Frohes Fest

    Barbara

  • F
    Fernpendlerin

    Es findet ein arbeitsloser Familienvater aus Ludwigslust Arbeit in Hamburg. Morgens fährt er 120 Km zur Arbeit, abends fährt er 120 Km nach Hause. Das hilft erheblich, das verschuldete kleine Reihenhaus zu finanzieren (die Bundesregierung fördert Wohneigentum). Der Familienvater handelt also vorbildlich. Wir sollen uns doch alle mobil zeigen und bereit sein, alle Unannehmlichkeiten in Kauf zu nehmen, um einen Arbeitsplatz zu ergattern. Er soll umziehen, schreibt nun der Jungredakteur der taz! Und was ist mit der Ehefrau und Mutter? Sie hat einen Teilzeitjob in Ludwigslust. Die vier Kinder gehen in Ludwigslust zur Schule und zum Musikunterricht. Was schlägt unser Redakteur hier vor? Trennung der Familie?