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Kommentar ChryslerKühner Pragmatismus

Stefan Reinecke
Kommentar von Stefan Reinecke

Den Fall Chrysler kann man nicht eins zu eins auf Deutschland übertragen. Und doch zeigt er, dass wir zu eng denken.

Bild: taz

Stefan Reinecke ist Korrespondent im Berliner Parlamentsbüro der taz.

Wer vor 12 Monaten prophezeit hätte, dass Chrysler bald der Gewerkschaft der Automobilarbeiter gehört und der Staat im Vorstand das Sagen hat, den hätte man für verrückt erklärt. Oder für einen, der an den vergilbten, sozialistischen Träumen des letzten Jahrhunderts klebt. Doch in der Krise rast die Zeit, was gestern unmöglich war, ist heute bereits der Fall. Kann Chrysler zum Symbol einer neuen Marktwirtschaft werden, in der Arbeitnehmer mehr zu melden haben?

Schön wäre es. Allerdings gibt es eine Menge Fragezeichen und Zwiespältigkeiten. Insolvenz und Staatsbeteiligung sind nur der allerletzte Notausgang. Der Automobilarbeitergewerkschaft gehört nun die Mehrheit des Konzerns, weil sie die Rentenansprüche von mehr als 100.000 Ex-Chrysler-Arbeitern vertritt. Das kann durchaus riskant werden. Denn wenn der angeschlagene Chrysler-Konzern ökonomisch nicht mehr auf die Beine kommt - was niemand ausschließen kann -, muss die Gewerkschaft den Sozialplan womöglich mit sich selbst aushandeln. Eine Art Selbstabwicklung.

Obwohl man den Fall Chrysler nicht eins zu eins auf Deutschland übertragen kann und die Gefahren der Gewerkschafts- und Staatsbeteiligung nicht zu unterschätzen sind, zeigt er doch, dass wir zu eng denken. Wer sich die ideologische Gesinnungsschlacht vergegenwärtigt, die hierzulande sogar bei der Übernahme der Pleitebank HRE aufgeführt wird, bestaunt den kühlen US-Pragmatismus um so mehr.

Was tun? In Deutschland sollte man künftig Staatshilfe für Unternehmen an mehr Rechte und auch an Eigentumsbeteiligung der Belegschaften koppeln. Daraus könnte so etwas wie eine neue, auf Arbeitnehmer zentrierte, demokratisierte Marktwirtschaft wachsen, die ein Gegenpol zur Ökonomie des schnellen Profits werden kann.

Viele mögen dies für unwahrscheinlich halten. Gerade in der Krise wollen viele, die verunsichert sind, einfach nur, dass die Dinge bleiben, wie sie sind. Aber das muss nicht so sein. Der Krisenkonservatismus ist kein Naturgesetz. Die wirksamste Zügelung des Kapitalismus und den gewaltigsten Aufschwung für Arbeitnehmerrechte und Gewerkschaften in der Geschichte des Kapitalismus gab es jedenfalls mitten in der tiefsten Krise - im New Deal 1932 in den USA. Ist heute wirklich nicht möglich, was damals gelang?

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Stefan Reinecke
Korrespondent Parlamentsbüro
Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.
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1 Kommentar

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  • HH
    Hans-Hermann Hirschelman

    Zitat Stephan Reinke:

    "In Deutschland sollte man künftig Staatshilfe für Unternehmen an mehr Rechte und auch an Eigentumsbeteiligung der Belegschaften koppeln. Daraus könnte so etwas wie eine neue, auf Arbeitnehmer zentrierte, demokratisierte Marktwirtschaft wachsen, die ein Gegenpol zur Ökonomie des schnellen Profits werden kann."

     

    Nunja, gegen mehr Rechte wäre nichts einzuwenden. Meinetwegen dahin gehend, dass Großbetriebe Mitverantwortung übernehmen müssen für eine neue Perspektive derjenigen, deren Arbeitsplätze technischem Fortschritt oder Nachfrageproblemen zum Opfer fallen. Aber was soll eine noch engere Kettung an die Unternehmen durch "Miteigentum" bringen außer Gewerkschaftsdemos für neue Atomkrafterke und eine Verlängerung der Abwrackpämie? Emanziapiton aus der elendig (inhuman) engen Perspektive lohn- und gehaltsabhängig Beschäftigter ginge in die entgegengesetzte Richtung: Hinaus aus der Betriebsblidheit! In Richtung globaler Kooperationen für die Entwicklung einer gemeinsamen Zukunft in der die Sonn' nicht ohne Unterlass Gletscher zum Schmelzen bringt!

     

    Gruß hhirschel