Kommentar Charles Taylor: Es fehlt ein Weltstrafvollzug
Die internationale Justiz macht Fortschritte bei der Aburteilung von Menschenrechtsverletzern und Kriegsverbrechern. Von einem Weltstrafvollzug ist sie weit entfernt.
F ür ein Kriegsverbrechertribunal, das keine lebenslange Haftstrafe verhängen darf, ist ein Urteil von 50 Jahren für einen 64-jährigen Politiker eine gewagte Entscheidung. Oder eine rein symbolische.
Soll Charles Taylor, der wegen Unterstützung von Rebellen in Sierra Leone verurteilte Expräsident von Liberia, sein Gefängnis je wieder lebend verlassen, wird die am Mittwoch vom UN-Sondertribunal in den Niederlanden verhängte Strafe zu großen Teilen ausgesetzt werden müssen – und dann dürfen sich alle Beteiligten fragen, wozu das gut war.
Die internationale Justiz macht Fortschritte bei der Aburteilung von Menschenrechtsverletzern und Kriegsverbrechern – das unterstreicht das Taylor-Urteil. Aber je weiter sie kommt, desto stärker stellt sich die Frage, was eigentlich aus verurteilten Tätern wird.
Charles Taylor wird seine Strafe in Großbritannien absitzen. Andere Verurteilte des Sierra-Leone-Tribunals sitzen in Ruanda ein. Ruandische Völkermordtäter wiederum sind in Länder wie Mali geschickt worden, von wo aus sie möglicherweise bald aus Sicherheitsgründen nach Sierra Leone verlegt werden sollen.
Die ruandischen Milizenführer, denen in Deutschland der Prozess gemacht wird, belegen Zellen des ehemaligen RAF-Isolationstrakts in Stuttgart-Stammheim. Die kongolesischen Untersuchungshäftlinge des Internationalen Strafgerichtshofs sitzen am Meer unter Bedingungen, die in der Heimat als Ferien durchgehen würden, und können nur hoffen, dass ihre Prozesse möglichst lange dauern.
Was nach einer Verurteilung aus ihnen wird, ist offen. Die verhängten Strafen gehen weit auseinander: Taylor soll 50 Jahre sitzen, aber so mancher verurteilte Kriegsverbrechern aus Exjugoslawien ist schon wieder auf freiem Fuß und lebt uneinsichtig in der Heimat.
Das alles befriedigt nicht wirklich. Zu einer einheitlichen Weltjustiz sind erste Schritte getan. Aber von einem einheitlichen Weltstrafvollzug ist die Weltgemeinschaft noch weit entfernt.
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