Kommentar Castor-Transport: Erfrischend! Und wie weiter?
Man freut sich, dass der Zug mit dem Strahlenmüll deutlich länger als sonst aufgehalten wurde. Nun muss das Ganze einen politisch wirksamen Schub bekommen.
Reiner Metzger ist stellvertretender Chefredakteur der taz.
Die Proteste gegen die Atomtransporte ins Wendland waren erfolgreich, so viel ist jetzt schon klar. Kreativ, zahlreich, über die ganze Republik verstreut - so etwa sieht eine Bewegung in den Albträumen der Transportplaner aus. Man freut sich über nette Details am Rande der Blockadeaktionen und dass der Zug mit dem Strahlenmüll deutlich länger als sonst aufgehalten wurde. Und dabei wird nicht überschwänglich der Sieg über die Atomlobby und die Polizei gefeiert, sondern kühl und lächelnd die nächste vorgeplante Aktion in die Wege geleitet.
Doch, bei allem Respekt: Wie geht es jetzt weiter? Wie kann das Ganze einen politisch wirksamen Schub bekommen?
Es gab im vergangenen Jahr ein ähnlich bewegendes Ereignis, den G-8-Gipfel von Heiligendamm. Damals, im Juni, pilgerten noch viel mehr Protestierer an die Ostsee als jetzt ins Wendland und stahlen dort den Mächtigen dieser Welt erfolgreich die Show.
Doch als in den vergangenen Monaten die Finanzkrise losbrach, hatten die Kritiker über ein Jahr nach Heiligendamm noch immer keine Aktionen vorbereitet und keine Verbindung zwischen Parteien und außerparlamentarischen Experten aufgebaut. Die Bundesregierung konnte schalten und walten, wie sie wollte. Jetzt versucht sie, die Krise mit ein paar kosmetischen Korrekturen und viel Steuergeldern über die Bühne zu bringen.
Im kommenden Jahr steht in Deutschland eine Serie von 15 Wahlen an, darunter 5 Landtags-, eine Europa- und eine Bundestagswahl. Diese Wahlen sind spannend, weil die Linkspartei das etablierte System durcheinanderwirbelt. In so einem Umfeld kann es der Anti-Atomkraft-Bewegung mit ihren konkreten Themen wie Atommüll oder AKW-Pannen gelingen, zu einem entscheidenden Faktor zu werden. Sie darf sich nur nicht zu sehr in Richtungsdiskussionen verzetteln - und dabei konkrete Aktionen und Ziele vergessen.
Betrachtet man die diesjährigen Castor-Tage, so ist das nicht zu erwarten. Und zum Glück stellen sich die Dinge hier ja auch etwas einfacher dar als in Sachen Finanzmärkte und Globalisierung.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte über Verbot von Privat-Feuerwerk
Schluss mit dem Böllerterror
Kleinparteien vor der Bundestagswahl
Volt setzt auf die U30
Debatte nach Silvester
Faeser und Wissing fordern härtere Strafen
Musks AfD-Wahlempfehlung in der „Welt“
Rocky Horror Springer Show
Mögliches Ende des Ukrainekriegs
Frieden könnte machbar sein
Die Zukunft der Ukraine
Neujahr mit Luftalarm