Kommentar Cannabis und Medizin: Kein Hanf für Kranke
Ein Bundesinstitut will verhindern, dass Schwerkranke Cannabis selbst anbauen – zur Linderung ihrer Schmerzen. Eine Petition könnte helfen.
D as Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) hat Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 22. Juli eingelegt, das einigen Schwerkranken den Eigenanbau von Cannabis zur Linderung ihrer Schmerzen erlaubt hätte. „Damit wird eine finanzierbare Behandlung mit Cannabisprodukten weiterhin unnötig hinausgezögert“, kritisiert der Mediziner Franjo Grotenhermen, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin das Verhalten der Bundesregierung. „Es ist den betroffenen schwer kranken Patienten nicht zumutbar, dass sie jahrelang für ihr Recht streiten müssen.“
Um überhaupt eine Erlaubnis zu bekommen, statt des halb-synthetisch hergestellten Cannabiswirkstoffs Tetra-Hydro-Cannabinol (THC), der unter dem Namen „Dronabinol“ verschreibungsfähig ist, auch natürliche Cannabisblüten als Medizin erwenden zu können, mussten Patienten schon bis vor die höchsten Gerichte ziehen.
Seit 2009 ist das BfArM deshalb verpflichtet, in besonderen Fällen Ausnahmegenehmigungen zu erteilen. Etwa 200 Patienten können seitdem aus Holland importierte Hanfblüten über ihre Apotheke beziehen. Freilich zu einem Preis, der für viele Patienten nicht finanzierbar ist, weshalb sie den deutlich preisgünstigeren Eigenanbau vor dem Verwaltungsgericht erstritten.
Dass das Bundesamt gegen dieses Urteil vorgeht, macht einmal mehr deutlich, dass eine solche Behörde an einem Pharmastandort wie Deutschland weniger das Wohl des Patienten im Auge hat, sondern eher die Lobby der Industrie im Nacken. Sowie die gefühlte Abhängigkeit von einem (längst verlorenen) „war on drugs“.
Anders ist es nicht zu erklären, warum sich die Regierung hierzulande päpstlicher als der Papst des heiligen Drogenkriegs selbst, die USA, gebärdet. Dort können sich mittlerweile über eine Million Patienten mit der Medizin ihrer Wahl auf unbürokratische Weise selbst versorgen. Umso wichtiger ist es, mit der derzeit laufenden Petition an den Bundestag eine solche Reform endlich auch in Deutschland durchzusetzen.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
CDU-Chef Friedrich Merz
Friedrich der Mittelgroße
Geiselübergabe in Gaza
Gruseliges Spektakel
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Comeback der Linkspartei
„Bist du Jan van Aken?“
Jugend im Wahlkampf
Schluss mit dem Generationengelaber!
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Russland und USA beharren auf Kriegsschuld des Westens