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Kommentar CDU und Hartz IVFataler Markenname

Barbara Dribbusch
Kommentar von Barbara Dribbusch

Jürgen Rüttgers denkt über die Bezeichnung Hartz IV nach. Wenn es nach ihm ginge, müsse der Sammelbegriff wieder differenziert werden. Gibt es nichts Wichtigeres?

W ohl keine Sozialleistung wurde so zum negativen Markennamen wie die Hartz-IV-Gesetze. Nun denkt ausgerechnet ein CDU-Politiker, der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Jürgen Rüttgers, laut darüber nach, dieser Transferleistung nach einer Revision einen neuen Namen zu geben. Das ist bemerkenswert.

Der Begriff Hartz IV ist zwar keine Erfindung der Politik, im Amtsdeutsch heißt es: "Grundsicherung für Arbeitssuchende". Einen neuen Markennamen könnte die Politik auch erst dann unter die Leute bringen, wenn die Leistungen entsprechend verändert würden. Rüttgers meint aber dennoch etwas sehr Richtiges: Hartz IV wurde zu einem scheinbar homogenisierenden Label einer "Unterschicht". Dabei bekommen diese Sozialleistungen höchst unterschiedliche Bevölkerungsgruppen.

Zu den Hartz-IV-Empfängern zählen langjährig Arbeitende, die jenseits der 50 ihren Job verloren haben, Alleinerziehende, die nur Teilzeit arbeiten können, gesundheitlich Eingeschränkte und Niedriglöhner, deren Entgelt trotz aller Mühe nicht reicht. Sie alle sind Hartz IV und wollen doch zu Recht mit diesem Label nichts zu tun haben. Denn Hartz IV - so der Tenor - das bekommen doch auch Leute, die nie gekämpft haben in ihrem Leben.

Bild: taz

Barbara Dribbusch ist Inlandsredakteurin der taz.

Der politische Vorstoß ist daher richtig, zu überlegen, wie man die Sozialleistungen wieder differenzieren könnte. Länger Unterhaltsvorschuss für Alleinerziehende, mehr Beschäftigungsmaßnahmen für langjährig Versicherte, gesetzliche Mindestlöhne oder ein neuer Name für die staatliche Aufstockung von Niedrigeinkommen, die in Großbritannien ja "earned income tax credit" heißt, das wären sinnvolle Möglichkeiten. Ach ja: Worüber debattiert eigentlich derzeit die SPD?

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Barbara Dribbusch
Redakteurin für Soziales
Redakteurin für Sozialpolitik und Gesellschaft im Inlandsressort der taz. Schwerpunkte: Arbeit, soziale Sicherung, Psychologie, Alter. Bücher: "Schattwald", Roman (Piper, August 2016). "Können Falten Freunde sein?" (Goldmann 2015, Taschenbuch).
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6 Kommentare

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  • S
    Sonja

    Liebe Frau Dribbusch, das klingt ja gerade so, als ob sie begeistert wären von diesem Vorstoß eines CDU-Ministers.

     

    Ist Ihnen denn noch nie in den Sinn gekommen, dass der wahre Grund des Problems ganz wo anders liegt? Z. B. bei den viel zu niedrigen Löhnen. Oder den Wochenarbeitszeiten, die gemessen an der hohen Produktivität eigentlich viel zu hoch ist. Was da geändert werden müsste sind Dinge, die nun gerade die CDU vehement nicht ändern will.

     

    Denn was ich will, ist nicht ein paar Euro mehr als Arbeitsloser, sondern eine faire Entlohnung für meine Arbeit und faire Arbeitsbedingungen. Und das gibts ganz bestimmt nicht mit CDU/FDP.

     

    Höchstens noch mehr dumm-dreiste Augenwischerei.

  • M
    MARKUS

    Wenn ich das Wort Reform oder Veränderung im Zusammenhang mit Armut und Sozialhilfe höre, wird mir Angst und Bange. Meist kommt es dann noch schlimmer als vorher. Wenn die CDU/CSU in ihrer großen Ignoranz Hartz-IV ändern will, dann läuft das auf kleine Änderungen heraus, die aber zu einem gewaltigen Knall aufgebauscht werden.

    Tatsächlich sind die Defekte längst bekannt:

     

    - Es gibt nicht genug offene Stellen

    - Es gibt gar nicht genug qualifizierte Vermittler, die wirklich bei der ARGE (Hartz-IV-Amt) arbeiten oder arbeiten wollen

    - Es gibt keine ausreichende Weiterbildung mehr bei ALG II

    - Die Bescheide stimmen immer häufiger nicht mehr= Prozesswellen bei den Sozialgerichten

    - 351 EURO sind willkürlich und machen arm

    - Aktivierung von Arbeitslosen findet gar nicht statt

    - Hartz-IV-Behörde ist weder kundenfreundlich, noch lange geöffnet, oder überalll ortsnah zugänglich (Mittwoch meist geschloßen)

    - Zwischen Klient und Vermittler herrscht Misstrauen und Abneigung - selten erreicht ein Vermittler etwas für seinen Klienten, noch gibt es überhaupt eine Klienten-Berater-Beziehung

    - Vermittlung wird teuer ausgelagert und nicht kontrolliert

    - das IAB selber konstatiert, dass bei Trägern von 1-EURO-Jobs sehr viel weniger beschäftigungspflichtige Arbeitsplätze entstehen

     

    Die Liste kann man praktisch endlos weiterführen. Sie ist definitiv viel länger als die Probleme der alten Regelung. Jeder normale Mensch weiß, dass Hartz-IV einfach am Ende ist. Diese Reform war nichts als ein Sturm im Wasserglas. Alle Ziele wurden verfehlt. Kein Mensch würde mit einem Schiff weiterfahren, das ein Leck hat, der Staat macht mit Hartz-IV genau dies: Weiter die Treppe runter.

  • T
    Tommy

    "Anbiederung nach links" ... oh je selten so geschmunzelt !!!!

  • MM
    Marion Manneck

    Die sogenannten Hartz-Gesetze wurden ja nur eingeführt, weil man auf diese Art und Weise die Löhne und Gehälter absenken konnte. Es sei daran erinnert, dass die Regierungschefs der EU im Jahr 2000 in Lissabon, beschlossen, die Einkommen der Arbeitnehmer in der damaligen EU um 30 % abzu-senken. Unsere EU-Nachbarn merkten schnell, dass durch die Absenkung der Einkommen die Binnennachfrage sehr stark zurück ging. In Deutschland nahm man das in kauf und entwickelte die Arbeitsmarkreform. Mit der Einführung von Hartz IV (Alg II) wurde ein Niedriglohnsektor installiert, der ständig ausgeweitet wird. In Deutschland gibt es keinen Mindestlohn und nur schwammige Umschreibungen von sittenwidrigen Löhnen und Gehältern. Mit dem ALG II rutscht man schnell und rasant ab.

  • R
    reblek

    Dass es sich bei dem Anschlag von Schröder und Co. auf das soziale Netz um eine brutale Nivellierung handelt(e), ist seit Jahren nicht zu übersehen. Aber was scherte Schröder "Gerechtigkeit"?

     

    Ein "fataler" Markenname ist Hartz, ja das stimmt. Und ich hatte gedacht, endlich würde mal eine taz-Mitarbeiterin erklären, es sei auch aus quasi formalen Gründen notwendig, sich etwas Neues und damit auch eine neue Bezeichnung einfallen zu lassen, weil der Name "Hartz" für Kriminalität steht, was sich nicht so sonderlich gut macht für "Sozial"gesetze. Aber so "differenzierend" geht es bei der taz anscheinend nicht zu.

  • FB
    Frankfurter Bub

    Das Manöver ist so durchsichtig wie überflüssig. NRW-Wahlen im Mai. Rüttgers geht einem mit seiner bescheuerten Anbiederung nach links auf die Nerven. HartzIV war/ist richtig und notwendig.