Kommentar Bremer Wahlrecht: Den alten Volksbegriff loswerden
Es hat allerdings etwas von einer eher symbolischen Kompensation dafür, dass der Landesgesetzgeber den entscheidenden Schritt nicht tun darf: ein Wahlrecht für Bürger mit ausländischem Pass einführen.
Vor drei Jahren verfügte Bremen noch über Deutschlands rückständigstes Wahlrecht. Das ist vorbei: Dass dort künftig 16-Jährige die Bürgerschaft mitwählen dürfen, drückt einen deutlichen Modernisierungswillen aus.
Es hat allerdings etwas von einer eher symbolischen Kompensation dafür, dass der Landesgesetzgeber den entscheidenden Schritt nicht tun darf: ein Wahlrecht für Bürger mit ausländischem Pass einführen. Hamburg war damit einst gescheitert: Das Bundesverfassungsgericht wies 1990 darauf hin, dass alle Macht vom Volke ausgeht. Und "Volk", so die Richter damals, sei "die Gesamtheit der im Wahlgebiet ansässigen Deutschen". Das war eigentlich noch Carl Schmitt pur, dessen Freund-Feind-Schema das Nazi- und das Adenauer-Staatsrecht prägt.
Doch spricht viel dafür, dass dieser Geschichtsmüll weiterhin gilt, obwohl das Grundgesetz EU-Bürger mittlerweile ein bisschen als Volk definiert, also auf Kreis- und Gemeinde-Ebene. Dass Bremen nun per Bundesratsinitiative versucht, diese Erweiterung wenigstens per Sonderklausel für den eigenen Landtag ins Grundgesetz zu tricksen, und, dass es auf demselben Weg für ein bundesweites Kommunalwahlrecht für Bürger mit ausländischem Pass streitet, zeigt: Hier will man den nationalistischen Volksbegriff loswerden. Auch wenn man sich dafür im Bundesrat eine blutige Nase holt: Das ist die Sache wert.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
CDU-Chef Friedrich Merz
Friedrich der Mittelgroße
Geiselübergabe in Gaza
Gruseliges Spektakel
Jugend im Wahlkampf
Schluss mit dem Generationengelaber!
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Wahlentscheidung
Mit dem Wahl-O-Mat auf Weltrettung
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Russland und USA beharren auf Kriegsschuld des Westens